Berliner Tagung über Gewaltprävention bei Flüchtlingen

Frauen stark machen und Männer einbeziehen

Gewalt gegen Frauen gibt es überall in der Gesellschaft. Bei Flüchtlingen und Migranten kann sie sich aber anders zeigen als bei Einheimischen. Dafür zu sensibilisieren, war die Kernforderung einer Berliner Tagung.

Autor/in:
Nina Schmedding
Eine Mutter hält ihre Kinder im Arm in einer Flüchtlingsunterkunft der Caritas / © David Maung (KNA)
Eine Mutter hält ihre Kinder im Arm in einer Flüchtlingsunterkunft der Caritas / © David Maung ( KNA )

Auf engstem Raum miteinander leben, Arbeit finden, die Kinder in der Schule anmelden - das alles, ohne die Sprache zu beherrschen und möglicherweise weit weg vom Rest der Familie: Vor diesen Aufgaben stehen die meisten Flüchtlinge. Hinzu kommen bei manchen noch traumatische Kriegserlebnisse.

Die Flucht oder andere Formen der Migration in ein fremdes Land sind eine Dauerbelastung - auch noch nach der Ankunft. Wenn diese permanente Überforderung nicht aufgefangen wird, kann es passieren, dass die Betroffenen irgendwann rot sehen und sich die Anspannung in Aggression entlädt. Um dieses Thema ging es am Mittwoch auf der Berliner Tagung "Hand in Hand für ein gewaltfreies Miteinander - Gewaltprävention für Geflüchtete und Migranten".

Von der Bundesregierung für Migration und Flüchtlinge gefördert

Sie war Teil des Projekts "MiMi - Gewaltprävention mit Migrantinnen für Migrantinnen": Dabei werden Migranten "mit umfassenden Deutschkenntnissen" vom Ethno-medizinischen Zentrum in Hannover als Mediatoren für Gewaltvorbeugung ausgebildet. Rund 350 solcher interkultureller Vermittler gibt es bereits bundesweit; 10.000 Menschen haben sie nach eigenen Angaben in ihren Veranstaltungen erreicht. Das Projekt, das von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration und Flüchtlinge, Annette Widmann-Mauz (CDU), gefördert wird, läuft seit zwei Jahren. Es geht darum, vor allem die "Selbsthilfepotenziale" der Betroffenen zu stärken und Gewaltprävention in Aufnahme- und Gemeinschaftsunterkünften und dem familiären Bereich zu fördern.

Widmann-Mauz lobt an dem Projekt neben der Wissensvermittlung vor allem, dass es "von Gleichen zu Gleichen" stattfinde. Frauen könnten sich mit Frauen austauschen, die ähnliche Erfahrungen wie sie gemacht haben. "Es ist wichtig, dass Frauen stark gemacht werden, dass sie das Selbstvertrauen finden, sich in unserer Gesellschaft einzufinden. Hier erlebe ich oft Ängstlichkeit und Zurückhaltung."

Auch die Männer müssten grundsätzlich mehr beim Thema Gewaltvorbeugung einbezogen werden, fordert sie. "Frauen beklagen sich oft, dass ihre Männer sich nach der Flucht verändert haben", so die Migrationsbeauftragte. "Sie kämen mit den Geschlechterrollen hier nicht zurecht." Dass das MiMi-Projekt seit vergangenem Jahr auch Männer als Mediatoren ausbildet, befürwortet die Staatsministerin daher ausdrücklich.

Recht auf eine gewaltfreie Erziehung

Seit 2000 ist das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung in Deutschland gesetzlich verankert. Trotzdem sind hierzulande im vergangenen Jahr Zehntausende Kinder Opfer von Gewalt und Missbrauch geworden. Auch 139.000 Fälle häuslicher Gewalt, davon der weit überwiegende Teil an Frauen, wurden registriert. Übergriffe gibt es in allen Schichten und allen ethnischen Zugehörigkeiten, wie Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) betont.

Bei Flüchtlingen etwa aus Syrien, Pakistan oder dem Irak sieht der Leiter des Instituts für Transkulturelle Gesundheitsforschung, Jan Ilhan Kizilhan, indes ein besonderes Problem der "kulturellen Gewalt". Es gebe "Familien, die dies seit Jahrhunderten verinnerlicht haben. Frauen, die Gewalt erlebt haben, sagen dann: 'Das ist halt so'", so der Psychologe. Er fordert vor allem, diesen Frauen eine Perspektive zu geben. "Wenn wir sagen: 'Verlasst die Gewalt, verlasst Eure Gesellschaft' müssen wir ihnen auch helfen, auf eigenen Beinen zu stehen."

Auch Ivanka Sucic, Geschäftsführerin des Vereins "südost Europa Kultur", verweist auf den unterschiedlichen kulturellen Hintergrund von Migranten. "Unsere deutsche Gesellschaft ist individuumorientiert, die meisten anderen kulturellen Strukturen sind aber familienorientiert", erklärt sie. "Das bedeutet, dass die Loyalität zur eigenen Familie in diesen Kulturen oft eine große Rolle spielt. Das müssen wir mitdenken. Wenn Frauen etwa Gewalt erfahren, sagen sie es nicht - aus Loyalität zu ihrer Familie."

90 Prozent aller Kinder, die Gewalt erleben, würden selbst später Täter, betont die Geschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes, Cordula Lasner-Tietze. Deshalb sei die Vorbildfunktion der Eltern so wichtig: "Wenn Kinder erleben, dass sie gut behandelt werden, behandeln sie auch andere gut."


Quelle:
KNA