Zum Tod des Friedensnobelpreisträgers Kofi Annan

Bis zuletzt wollte der "Papst vom East River" dazulernen

Schon in seiner Amtszeit als Weltgewissen machte Kofi Annan eine besondere Figur. Bis zuletzt zeigte er eindrucksvoll, dass körperliches und geistiges Alter bei weitem nicht dasselbe sind. Am Samstag starb der Friedensnobelpreisträger.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Kofi Annan  / © Facundo Arrizabalaga (dpa)
Kofi Annan / © Facundo Arrizabalaga ( dpa )

Irgendwie war man immer ein bisschen bei ihm, wenn man ihn in den so bekannten Posen sah: leise, geduldig, etwas geschafft und ein bisschen traurig wie ein altgedienter Lehrer, der eine Sache zum hunderttausendsten Mal erklärt - weil die Schüler es doch endlich begreifen müssten. Und das höfliche, leicht gequälte Lächeln, das am Ende doch Hoffen wider alle Hoffnung ausdrückte. Am Samstag ist Kofi Annan im Alter von 80 Jahren gestorben. Der Mann aus Ghana war ein Stück Weltgewissen, eine Art säkularer Papst. Ein Held, aber kein Gewinner - weil die anderen es am Ende eben wieder nicht begriffen haben.

Bis zuletzt war der frühere UNO-Generalsekretär und Friedensnobelpreisträger ein gefragter Redner und Troubleshooter, und bis zuletzt hatte er die großen Zukunftsfragen im Blick. Nicht nur die "klassischen" wie Hunger, Kriege, Menschenrechtsverletzungen. Sondern auch die neuen, aufkommenden Fragen: Verfall der demokratischen Diskussionskultur durch die "Sozialen Medien"; Vormarsch von künstlicher Intelligenz und digitaler Überwachung; den Kollaps des Multilateralismus. Und dabei setzte er, der Altersweise, gar nicht vorrangig auf die Altersweisheit, sondern auf die Jugend und ihre Bereitschaft, Herausforderung anzunehmen, wie er noch Anfang 2018 in einem Interview erläuterte.

Er hatte den "unmöglichsten Job der Welt"

"Er wird für immer in unseren Herzen sein", heißt es in der Mitteilung seiner Familie zu seinem Tod nach kurzer Krankheit. Seine Frau Nane und die Kinder Ama, Kojo und Nina verbrachten die letzten Tage an seiner Seite. "Er stellte selbstlos andere in den Vordergrund und strahlte wahre Freundlichkeit, Wärme und Brillanz in allem aus, was er tat", so die Familie weiter.

Von 1997 bis Dezember 2006 saß er zehn lange Amtsjahre auf dem heißen Stuhl am East River. 11. September, Afghanistan- und Irak-Krieg, Sudan-Konflikt: Zwischen den Klippen von Terrorismus, "Clash of Civilizations" und Völkermord hatte er als UNO-Generalsekretär viele Havarien zu erleiden - und blieb doch immer der Hoffnungsträger zum Umsteuern des Tankers "Weltgemeinschaft". Unzählige Meilen hat er im Dienst für die Völkergemeinschaft zurückgelegt. Kofi Annan, der Geschmeidige, war sich nie zu schade für die täglichen Spagate, die der "unmöglichste Job der Welt" mit sich bringt.

Es wurde nicht still um Annan

Nicht nur bei der UN-Reform, auch als ehrlicher Makler in den nie aufhörenden lokalen Konflikten in Afrika, Zentralasien oder dem Nahen Osten geriet Annan zuweilen in die Rolle des Ritters von der traurigen Gestalt. Denn Konsequenzen konnte er nie androhen. "Nie wieder Ruanda", so beschwor Annan die zerstrittene internationale Gemeinschaft. Er selbst hat 1994 als mitzuständiger UN-Diplomat beim Völkermord in Ostafrika seine bitterste Stunde erlebt. Das Versagen der Vereinten Nationen in Ruanda nahm er auch persönlich auf seine Kappe.

Auch nach seinem Ausscheiden aus dem höchsten Amt verkörperte der Volks- und Betriebswirt aus Ghana die UNO: Rund ein halbes Jahrhundert stand Kofi Annan in ihrem Dienst. Seit 1962 führten ihn seine Tätigkeiten unter anderem nach Addis Abeba, Kairo und Genf. Die irakische Besetzung Kuwaits 1990 und die Massaker an Zivilisten im Bosnien-Konflikt waren diplomatische Feuertaufen für das Amt als oberster Friedenswahrer.

Der "leise Don Quixote aus Ghana​"

In der Sprache seines Fante-Stamms im Westen Ghanas bedeutet Kofi "Freitag". An einem Freitag im Dezember 1996 wurde der Häuptlingssohn zum siebten Generalsekretär der Vereinten Nationen gewählt. An einem Freitag des Jahres 2001, einen Monat nach den Terroranschlägen des 11. September, erhielt Annan den ersten Friedensnobelpreis des neuen Jahrtausends zugesprochen: für seinen Einsatz um den Frieden in der Welt - aber wohl auch für seine Frustrationstoleranz.

Nicht mit breitem Kreuz und Posen, sondern mit feinen Nerven, geistreich und beharrlich hat Annan immer versucht, der internationalen Gemeinschaft und ihrem theoretischen Friedenswillen eine neue Autorität zu geben. Immer wieder bekam er schmerzlich seine Grenzen aufgezeigt: durch Islamisten, die keinen Frieden wollen; durch die USA, die als größter Schuldner der Vereinten Nationen in der Vergangenheit immer gerne die Erpressungskarte spielten, wenn es darum ging, genehme politische Entscheidungen herbeizuführen. Oder, wie bis August 2012 als Vermittler im Syrien-Krieg, durch Machtpokerer, die ihre eigenen Interessen über die Nöte der Opfer von Gewalt und Konflikten stellen.

Es ehrte den leisen Don Quixote aus Ghana, dass er es trotzdem immer wieder versuchte. Und dass er dabei geistig so viel jünger und lernfähiger blieb als viele Politiker der nachfolgenden Generationen.


Kofi Annan ist tot / © Schneider (dpa)
Kofi Annan ist tot / © Schneider ( dpa )
Quelle:
KNA
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