Vor 25 Jahren gründete eine Berlinerin die erste Tafel

Zwischen Überfluss und Mangel

Inzwischen kommen auch Flüchtlinge und Rentner: An den Ausgabestellen der Tafeln haben die Helfer viel zu tun. 25 Jahre nach Gründung der ersten Einrichtung in Berlin scheinen sie wichtiger denn je – obwohl es auch leichte Kritik gibt.

Autor/in:
Birgit Wilke
25 Jahre Tafel-Bewegung in Deutschland (dpa)
25 Jahre Tafel-Bewegung in Deutschland / ( dpa )

Es ist eine Idee, die vor allem durch ihre Einfachheit besticht: Unternehmen produzieren Überschüsse, bei sozial Bedürftigen fehlt es am Monatsende oft am Notwendigsten. Warum also nicht einfach überflüssige Lebensmittel an diese Bedürftigen verteilen? Anfang der 1990er Jahre fing eine Berliner Fraueninitiative an, diese Idee umzusetzen und gründete 1993 in der Stadt eine Initiative dafür: Das war die Geburtsstunde der ersten Tafel. Vorbild waren ähnliche Initiativen in den USA.

Mehr als 900 sind im Laufe der Jahre dazugekommen. 60.000 Ehrenamtliche engagieren sich dafür und helfen rund 1,5 Millionen Menschen, monatlich über die Runden zu kommen. Getragen werden die Tafeln von Wohlfahrtsverbänden und Bürgervereinen. Dazu kommt ein Bundesverband, der sich mit seinen Mitarbeitern vor allem um die Logistik kümmert.

Bei allem Lob gibt es seit einigen Jahren auch Kritik an der sogenannten Tafel-Bewegung. Hauptvorwurf ist, dass sich die Tafeln inzwischen von ihrem ursprünglichen Ansatz als Notlösung entfernt hätten und der Politik inzwischen als eine Art Alibi dienten.

Einer der größten Kritiker ist der Sozialwissenschaftler Stefan Selke. Ihm gehe es nicht um Ja oder Nein, betont der Wissenschaftler immer wieder. Die Tafeln, die sich um bedürftige Menschen kümmern, leisteten im Prinzip wertvolle Arbeit. Wirklich notwendig seien aber politische Lösungen wie eine armutsvermeidende Mindestsicherung, so Selke. Seiner Initiative "Kritisches Aktionsbündnis 20 Jahre Tafeln" schlossen sich auch einzelne Verbände von Caritas und Diakonie an.

Die Tafeln kontern: Natürlich müsse die Bewegung aufpassen, sich nicht vereinnahmen zu lassen - nicht von der Politik, nicht von Lebensmittelketten, so argumentieren sie. Und natürlich hätten sie im Laufe der Jahre Fehler gemacht und dazu gelernt. Zugleich betont der Bundesverband, dass die Tafeln nie den Anspruch gehabt hätten, eine Vollversorgung zu bieten, das sei eindeutig Aufgabe des Staates.

Stattdessen wollten die Tafeln Menschen ermöglichen, sich vielleicht auch mal eine kulturelle Veranstaltung leisten zu können.

Andere Kunden

Zudem habe sich die Struktur der Kunden in den vergangenen Jahren stark verändert, so der Vorsitzende des Bundesverbandes der Tafeln in Deutschland, Jochen Brühl, kürzlich in einem Interview. "Zu Beginn haben wir schwerpunktmäßig Obdachlose unterstützt, dann kamen Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion, in jüngerer Zeit kommen viele Alleinerziehende, und zuletzt suchten immer mehr Flüchtlinge Hilfe bei den Tafeln." Auch die Zahl der Rentner sei größer geworden. Er bezeichnete die Tafeln als "Seismograph" der Gesellschaft.

Für Sabine Werth, die vor 25 Jahren zu der Fraueninitiative gehörte, ist die Tafel-Bewegung so etwas wie ein Lebenswerk. Und im Laufe der Jahre hat sie gelernt, mit Kritik gelassener umzugehen. Viele Menschen, die die Tafeln aufsuchten, kämen auch, weil die Einrichtung auch aus einem anderen Grund zu einer wichtigen Anlaufstelle geworden. Dort hätten sich wertvolle Begegnungen ergeben, seien Freundschaften entstanden, so die 60-jährige Tafel-Gründerin.

Werth war es auch, die vor rund 13 Jahren eine weitere Initiative der Tafel ins Leben rief: Um die gesammelten Lebensmittel schneller zu verteilen, wandte sie sich an Berliner Kirchengemeinden. Inzwischen gibt es über 40 Ausgabestellen, deren Hilfe rund 50.000 bedürftige Berliner in Anspruch nehmen.

 

Essensausgabe vor einer "Tafel"-Einrichtung / © Harald Oppitz (KNA)
Essensausgabe vor einer "Tafel"-Einrichtung / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA