Sklaven-Nachfahren wollen Entschädigung von Jesuiten-Universität

Aufarbeitung einer düsteren Vergangenheit

Vor knapp zwei Jahren kam der Skandal ans Licht: Die älteste katholische Hochschule der USA war tief in den Sklavenhandel verstrickt. Deren Nachfahren wollen nun mehr als eine Entschuldigung.

Autor/in:
Thomas Spang
Moderne Sklaverei / © Harald Oppitz (KNA)
Moderne Sklaverei / © Harald Oppitz ( KNA )

Dee Taylor hält die späte Entschuldigung der renommierten Georgetown University für mehr als angebracht. Auch die Kompensationsleistungen, die die Jesuiten-Hochschule den Nachfahren der Sklaven in Aussicht stellt, schätzt sie. Der Katalog der Wiedergutmachungen reicht von verbesserten Studienchancen für Schwarze bis hin zu Denkmälern in Erinnerung an die Leidtragenden von 1838. "Aber tief in meinem Herzen", bekennt die 65-Jährige, deren Vorfahren in Ketten verkauft wurden, "fühle ich mich nicht gut dabei." Sie glaubt: "Georgetown hat die Mittel, viel mehr zu tun."

Eine Gruppe von Nachfahren der damaligen Sklaven hat sich zur "GU272 Isaac Hawkins Legacy" zusammengeschlossen. Hawkins stand vor 180 Jahren als erster auf der Namensliste der 272 Sklaven, die die Universität zu Geld machte. Was die Gruppe will, ist eindeutig. Konkrete Zahlen nannte ihre Sprecherin, Georgia Goslee, zwar nicht, aber es geht ums Geld. Georgetown habe für seine Sklavenvergangenheit noch nicht "völlig gesühnt".

Viele Unis schuldig

Viele Universitäten haben sich in der Periode des Sklavenhandels schuldig gemacht. Doch kaum eine Geschichte ist so akribisch dokumentiert wie die der Georgetown University in Washington. Genau 272 Schwarze, die damals auf den Plantagen der Jesuiten in Maryland arbeiteten, verkaufte die Hochschule als Sklaven nach Louisiana. 3,3 Millionen Dollar flossen in die Ordenskasse. Die erst junge Universität war wirtschaftlich saniert. 178 Jahre später, 2016, kam diese dunkle Vergangenheit der katholischen Universität ans Tageslicht.

Richard J. Cellini (55), ein ehemaliger Georgetown-Student, war der erste, der seiner Alma Mater den Spiegel vorhielt. Der katholische Unternehmer aus Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts hat die Aufklärung über den Sklavenhandel seiner Uni zu seiner Lebensaufgabe gemacht. Historiker seines privat finanzierten "Georgetown Memory Project" hatten die Verstrickung der Jesuiten auf über 100 Seiten mit Fakten belegt.

Ein unmoralischer Deal

Demnach hatten Father Thomas F. Mulledy und Reverend William McSherry vor 180 Jahren die Idee, die finanzielle Misere der Jesuiten-Universität mit einem unmoralischen aber einträglichen Deal zu lösen. Dem Generaloberen der Jesuiten in Rom wurde versprochen, Familien würden nicht getrennt und auch unter den neuen Besitzern sei der katholische Glaube der Menschen gesichert. Spätere Inspektionsreisen bestätigten das Gegenteil.

Das Entsetzen über die Entdeckung des damaligen Handels war groß. Der Präsident der Universität, die Washingtons Eliten ausbildet, John DeGioia, entschuldigte sich bei den Nachkommen ebenso wie der damalige Washingtoner Weihbischof und heutige Bischof von Richmond, Barry Knestout. Der oberste Jesuit der USA und Kanada, Father Tim Kesicki, nannte den Sklavenhandel im Namen des Ordens eine schwere Sünde. Der Schmerz darüber werde nie vergehen.

Stiftung im Gespräch

So einmütig die Schuldannahme auf kirchlicher Seite, so verschieden fallen die Reaktionen bei den Betroffenen aus. Posthume Namensgebungen für Gebäude auf dem Campus werden von Nachfahren nicht abgelehnt, doch begnügen wollen sich viele damit nicht.

Im Gespräch ist eine Stiftung, die, mit einer Milliarde US-Dollar ausgestattet, vor allem den Nachkommen der Jesuiten-Sklaven Zugang zur Georgetown-Universität ermöglichen soll. Bislang hat die Elite-Hochschule Kompensationen versprochen ohne mit den Familien der Nachkommen direkt zu reden. Ein Makel, der den angestrebten Versöhnungsprozess gefährdet.

Grund für Wohlstandslücke

Die "GU272"-Gruppe will das nicht hinnehmen. Ein Experte der Universität Connecticut, Thomas Craemer, soll die Nachfahren der Sklaven bei Entschädigungsforderungen unterstützen. Craemer macht eine simple Rechnung auf. Nachkommen wie Dee Taylor seien betrogen worden. Durch die Zwangsarbeit ihrer frühen Verwandten seien andere Menschen reich geworden. "Die Wohlstandslücke zwischen Schwarzen und Weißen in den USA ist in dieser Realität verwurzelt."

Dialog sei eine gute Sache, meint "GU272"-Sprecherin Georgia Goslee, doch die Nachkommen der damaligen Sklaven litten noch immer. "Wir sollten mehr unternehmen", sagt sie. In diesem Sinne ist die Forderung Dee Taylors an die Universitätsleitung eindeutig: "Macht es richtig, klar und einfach."


Zeitgenössische Lithographie "Lincoln in City Point"  / © akg-images GmbH (epd)
Zeitgenössische Lithographie "Lincoln in City Point" / © akg-images GmbH ( epd )

Georgetown Universität in Washington / © Hoyer2009 / CC BY-SA 3.0
Georgetown Universität in Washington / © Hoyer2009 / CC BY-SA 3.0
Quelle:
KNA
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