In Deggendorf beginnt Missbrauchsprozess

Ex-Priester als Wiederholungstäter vor Gericht

Er soll sich 21 Jahre lang an Kindern in halb Europa vergriffen haben. Dabei gab der Angeklagte sich als frommer Priester aus. Aber schon bei seiner Weihe in Polen ging es nicht mit rechten Dingen zu.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
Ex-Priester als Wiederholungstäter vor Gericht  / © Friso Gentsch (dpa)
Ex-Priester als Wiederholungstäter vor Gericht / © Friso Gentsch ( dpa )

Am kommenden Montag beginnt vor dem Deggendorfer Landgericht ein Missbrauchs-Prozess gegen einen Ex-Priester. Die Umstände sind in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich: Mehr als 100 Übergriffe auf Mädchen und Jungen sollen sich zwischen 1995 und 2016 in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien und Polen zugetragen haben. Dazwischen verbüßte der Angeklagte eine mehrjährige Haft und verlor sein Priesteramt, das er sich offenbar mit gefälschten Zeugnissen in Polen erschlichen hatte. Doch es gibt noch mehr Merkwürdigkeiten in dem Fall.

Nach Informationen der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) stammt der Mann aus Wuppertal und studiert um 1990 Theologie im niederländischen Roermond und in Heiligenkreuz bei Wien. 1994 lässt er sich im polnischen Stettin zum Priester weihen, obwohl er nach Darstellung von mit dem Fall vertrauten kirchlichen Insidern in Bayern des Polnischen gar nicht mächtig ist. Nach wenigen Monaten als Kaplan wird er freigestellt, um sich einen deutschsprachigen Bischof zu suchen. Als dies fehlschlägt, beginnt seine Wanderschaft durch halb Europa.

Die Entschuldigung blieb aus

Im Jahr 1997 warnt das Bistum Speyer im Amtsblatt vor dem Geistlichen, der sich als Pater ausgebe, aber vom Stettiner Erzbischof "auf unbestimmte Zeit beurlaubt" sei und nicht seelsorglich tätig sein dürfe. 2004 verurteilt ihn das Karlsruher Landgericht zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis wegen mehrfacher Vergewaltigung und schweren Missbrauchs zweier 13 und 14 Jahre alter Mädchen. Einem Pressebericht zufolge begleitete der Geistliche Wallfahrten und leitete private Gebetskreise. Dort habe er auch seine Opfer und deren Eltern kennengelernt.

"Er hat inzwischen seine Strafe abgesessen, aber entschuldigt hat er sich bei mir nie. Vor Gericht hielt der Hype seiner Anhänger an. Er galt als Märtyrer, ich wurde beschimpft", gibt eine von ihm vergewaltigte Frau 2010 im "Stern" zu Protokoll. Und dass ihr bei dem Prozess ein Polizist erzählt habe, dass sich während der Ermittlungen viele weitere Opfer gemeldet hätten, auch aus Österreich und der Schweiz. Davon sei aber wegen Verjährung nichts angeklagt worden.

Als falscher Priester weiter unterwegs

Noch während der Haft macht die Kirche dem Mann einen eigenen Prozess, der in zweiter Instanz 2012 in München endgültig zu seiner Entfernung aus dem Klerikerstand führt. Es folgen wiederum diverse Warnhinweise in diözesanen Amtsblättern. Das hält den Mann der Deggendorfer Anklage zufolge nicht davon ab, weiter als Priester aufzutreten, Gottesdienste zu feiern, Beichten abzunehmen, Jugendgruppen zu betreuen - und das Vertrauen "strenggläubiger Katholiken" zu gewinnen.

Zuletzt aufgeflogen ist der falsche Priester in Niederbayern. 2016 vertraute sich eine Frau ihrem Pfarrer an und berichtete von Übergriffen des Beschuldigten auf ihr Kind, die sich auf einer gemeinsamen Reise mit ihrer Familie nach Polen zugetragen haben sollen. Der Pfarrer drängte sie daraufhin zur Anzeige. Da war der Mann aber schon weitergezogen. Und auch der Pfarrer musste sich eingestehen, dass er über Monate einem Hochstapler aufgesessen war und diesen als Aushilfsseelsorger hatte tätig sein lassen, nachdem er einen Warnhinweis im Amtsblatt des Bistums Regensburg übersehen hatte.

Eine Gefahr für die Allgemeinheit?

Nach seiner Festnahme kam der Mann zunächst in Untersuchungshaft und sitzt inzwischen in der Psychiatrie. Die Staatsanwaltschaft hält ihn für krankhaft pädophil und vermindert schuldfähig, aber zugleich für eine Gefahr für die Allgemeinheit. Deswegen geht es in dem Prozess auch um eine dauerhafte Unterbringung. Die Jugendschutzkammer hat bis Anfang März nächsten Jahres 16 Termine angesetzt. Verhandelt wird auch wegen gewerbsmäßigen Betrugs, Urkundenfälschung, Missbrauchs von Titeln und Berufsbezeichnungen.

Mehrfach soll der Angeklagte nicht nur seinen tatsächlichen beruflichen Status verschwiegen und falsche Namen verwendet haben. Laut Mitteilung der Justiz gab er sich in einem Fall in einer E-Mail sogar als Gott aus, um einen seiner Gastgeber davon abzuhalten, eine finanzielle Gegenleistung für Kost und Logis zu verlangen.


Quelle:
KNA