Wohnbox für Obdachlose jetzt auch in Bayern

Endlich wieder eigene vier Wände

Sie ist zwar nur drei Quadratmeter groß, doch sie hält trocken - und man kann sie abschließen. Die Wohnbox soll Obdachlosen das Leben auf der Straße erleichtern. Die Idee stammt ursprünglich aus Köln.

Autor/in:
Thomas Tjiang
Wohnboxen für Obdachlose  / © Marius Becker (dpa)
Wohnboxen für Obdachlose / © Marius Becker ( dpa )

"My home is my castle", ruft der 55-jährige Klaus Billmeyer erfreut aus, der seit acht Jahren auch bei Regen und Kälte auf der Straße schläft. Der Nürnberger Obdachlose hat am Samstag das bayernweit erste "Little Home" bezogen. Die Wohnbox aus Holz mit einer Wohnfläche von drei Quadratmetern wurde auf dem Parkplatz eines Nürnberger Baumarkts auf dreieinhalb Paletten zusammengebaut. Billmeyer selbst hat noch zum Akkuschrauber gegriffen, um Haken an der Wand für seine Garderobe zu platzieren. Am Ende enthält sein Eigenheim eine Matratze, ein Regal, ein Erste-Hilfe-Set, einen Feuerlöscher, eine Campingtoilette, ein Waschbecken sowie eine kleine Arbeitsfläche.

Die rund 800 Euro teure Wohnbox bekommt er von Nürnberger Mitgliedern des im vergangenen Herbst gegründeten Kölner Vereins "Little Home" geschenkt. Laut Vereinsgründer Sven Lüdecke stehen in Köln bereits 25 solcher Wohnboxen, weitere finden sich in Berlin. Sie helfen, Obdachlosen ein Dach über dem Kopf zu bieten und schützen vor dem Erfrieren. "Der Mensch kann sich pflegen und warm halten", sagt Lüdecke, eine Betreuung sollte durch lokale Sozialarbeiter stattfinden. In Köln hätten auf diese Weise bereits zehn Personen in reguläre Arbeit und Wohnung gefunden.

Endlich abschließen

Klaus Billmeyer, an seiner Seite "mein Freund" Hund Lord, hat früher öfter in Unterkünften der Stadt geschlafen. Er finde es aber "nicht so prickelnd", mit zwölf anderen Leuten in einem Raum zu übernachten. Außerdem gebe es oft Ärger wegen seines Hundes. Er habe sich daher selbst für die Obdachlosigkeit entschieden, weil ihn die Nürnberger Ämter genervt hätten.

Sein neues Haus findet er "spitze", sagt Billmeyer, auch weil er seine eigenen vier Wände nun abschließen kann. Früher sei ihm immer etwas geklaut worden. Seit zwei Jahren arbeitet er als Verkäufer des Nürnberger Sozialmagazins "Straßenkreuzer". Außerdem macht er für den Straßenkreuzer auch spezielle Stadtführungen zu sozialen Brennpunkten und hält Vorträge über die Obdachlosigkeit in Kindergärten und Schulen. Darauf ist er stolz, auch wenn er weiterhin am Existenzminimum lebe. Und er ist "dankbar für seine Erfahrungen als Obdachloser". Man lerne, andere "nicht danach zu beurteilen, was sie haben, sondern den Menschen zu sehen".

Keine dauerhafte Wohnform

Der Vereins-Vorstand des Nürnberger Straßenkreuzers, Walter Grzesiek, beobachtet die Szenerie mit gemischten Gefühlen. Es sei ein Statement gegen Obdachlosigkeit, das aufrütteln und helfen könne, Wohnraum für Menschen wie Klaus Billmeyer zu schaffen. Viele gingen lieber auf die Straße, als in einer Notunterkunft zu übernachten. Und das Problem nehme sogar noch zu. Im Vergleich zum vergangenen Jahr sei die Zahl der Obdachlosen allein im Nürnberger Stadtgebiet um acht Prozent auf nunmehr über 1.800 Menschen gestiegen. Allerdings sieht Grzesiek in den "Little Homes" nur einen ersten Schritt und keine dauerhafte Wohnform. "Wir brauchen kontinuierlich mehr Unterkünfte für Obdachlose."

Der Nürnberger Unternehmer und "Little Home"-Vereinsmitglied Andreas Fiek will nun mit dem Nürnberger Sozialreferat Kontakt aufnehmen, um Möglichkeiten für einen öffentlichen Stellplatz auszuloten. Fiek hätte am liebsten vier bis fünf Standorte in der Stadt, an denen jeweils fünf Wohnboxen stehen dürften. Sechs weitere Zusagen für je eine 800 Euro teure Wohnbox hat er in Nürnberg schon in der Tasche.


Quelle:
epd
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