In drei Ländern ist das Polio-Virus weiter heimisch

Welt-Polio-Tag

Die Kinderlähmung sollte bereits vor 17 Jahren ausgerottet sein. Ist sie aber nicht. Die Infektionszahlen waren im vergangenen Jahr so niedrig wie noch nie. In manchen Regionen häufen sich die Fälle jedoch weiterhin.

Polio-Impfung (dpa)
Polio-Impfung / ( dpa )

Afghanistan, Pakistan, Nigeria: In drei Ländern dieser Welt ist das Polio-Virus weiterhin heimisch. 17 Jahre nach dem Ziel der Ausrottung bleibt der Kampf gegen die Kinderlähmung eine Herausforderung. Immer wieder gab und gibt es Rückschläge - vor allem in Krisengebieten. Doch die Lichtblicke machen Mut: Afghanistan scheint der Ausrottung nahe wie nie. Und Pakistan hat Mitte September eine konzertierte nationale Impfaktion von etwa 38 Millionen Kindern durchgeführt. Der Welt-Polio-Tag am 28. Oktober soll an das Ziel der weltweiten Ausrottung erinnern. Neues Zieldatum ist 2018. 

Vor gut 30 Jahren beschloss die Weltgesundheitsversammlung mit der Globalen-Polio-Eradikations-Initiative GPEI die Kinderlähmung bis 2000 weltweit auszumerzen. Damals litten 350.000 Kinder in etwa 125 Ländern an dem hochinfektiösen Virus, das binnen Stunden zu Lähmungserscheinungen führen kann.

Seit 1988 Zahl der Polio-Infektionen um 99,9 Prozent gesunken

Seit der Gründung der Initiative 1988 ist die Zahl der Polio-Infektionen um 99,9 Prozent gesunken. Im vergangenen Jahr gab es noch 37 Infektionen mit Poliowildviren; in diesem Jahr waren es laut GPEI bisher 12 Fälle - sieben in Afghanistan und fünf in Pakistan. Nie sei die Welt näher daran gewesen, das Virus vollständig auszurotten.

Sämtliche Wildtypen des aggressiven Virus können nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nur durch eine weltweite Immunisierung aufgehalten werden. 1955 entdeckte der US-Mediziner Jonas Salk (1914-1995) einen wirksamen und sicheren Impfstoff. Salks Geburtstag, der 28. Oktober, wurde 1998 von der WHO zum Welt-Polio-Tag ausgerufen. Entscheidend ist und bleibt die Durchimpfungsrate der Kleinkinder. Ein krankes Kind - Risiko für alle.

2015 Rückschlag in der Bekämpfung in Europa

Im September 2015 gab es etwa für die Region Europa einen Rückschlag: Zwei Kleinkinder in der Ukraine erkrankten. Infolge des Krim-Konflikts war die Durchimpfungsrate auf etwa 50 Prozent gesunken. Auch Kriegs- und Krisengebiete wie Syrien, der Jemen oder der Kongo sind anfällig. In Pakistan behinderten oft tödliche Attacken islamistischer Milizen gegen Impfteams Fortschritte. Die Milizen sehen in der Kampagne eine westliche Verschwörung zur Sterilisierung pakistanischer Kinder.

Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass durch Migration etwa aus dem Mittleren Osten der Erreger auch in andere Länder wieder eingeschleppt wird. Europa gilt seit 2002 als poliofrei. Noch ist die Durchimpfungsrate in Europa recht gut, aber das Bewusstsein schwindet. "Die Impfquote bei den Schulanfängern ist mit 94,5 Prozent nicht zufriedenstellend, von der WHO werden mindestens 95 Prozent gefordert", sagt der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar H. Wieler. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rief jüngst zum Impfen auf. Und die G20 haben die Ausrottung in ihre letzte Erklärung aufgenommen.

Letzter einheimischer Polio-Fall in Deutschland 1990

In Deutschland wurde der letzte einheimische Polio-Fall 1990 registriert. Jedoch kam es noch zwei Jahre danach zu zwei Erkrankungen durch importierte Poliowildviren aus Ägypten und Indien. Für solche Fälle muss die Immunisierung der deutschen Bevölkerung auf Dauer aufrechterhalten werden, auch wenn die Gefahr in Deutschland nicht mehr akut erscheint. Darüber hinaus rät die Ständige Impfkommission (STIKO) vor Reisen in betroffene Länder zu einer Auffrischung der Impfung.

Besonders problematisch sind Infektionen wie in der Ukraine und in Syrien. Die Kleinkinder infizierten sich nicht mit einem Wildtyp, sondern erkrankten an sogenannten Impfviren. Diese können - bei einer zu niedrigen Durchimpfungsrate - eine Folge des Lebend-Impfstoffs, der "Schluckimpfung", sein. Dabei überleben die abgeschwächten Viren in der Bevölkerung zu lange, mutieren in seltenen Fällen zurück und können die Krankheit wieder auslösen.

In diesem Jahr gab es bereits 61 solcher Fälle - davon 52 in Syrien und weitere 9 in der Demokratischen Republik Kongo - Länder, in denen das Virus nicht heimisch ist, in denen die Durchimpfungsrate infolge eines Konfliktes jedoch stark gesunken ist. Im vergangenen Jahr gab es weltweit nur drei solcher Infektionen mit "reaktivierten" Viren. Abhilfe könnte ein neuer Impfstoff schaffen, der ohne abgeschwächte Erreger auskommt. Ein Lichtblick.


Quelle:
KNA