Die vereinfachte Schriftsprache hat das Ziel, Menschen mit Lernschwierigkeiten oder Behinderung die Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Diese "Leichte Sprache" ist nicht zu verwechseln mit "Einfacher Sprache", die sich auch an Menschen mit geringen Sprachkenntnissen richten kann.
Bei der Übertragung von Texten in leichte Sprache gelten bestimmte Regeln: So sollen kurze Hauptsätze mit nur einer inhaltlichen Aussage benutzt, Nebensätze, Konjunktive und Fremdwörter dagegen vermieden werden. Zusammengesetzte Nomen werden mit einem Bindestrich getrennt, Doppelpunkte gezielt als hinweisendes Signal eingesetzt, Frage- und Ausrufezeichen vermieden. Leichte Sprache soll auf die wesentlichen Inhalte aus komplexen Texten verständlich zusammenfassen.
1996 entwickelte die US-amerikanische Organisation "People First" die Idee des "Easy Read". 2001 gründete sich der deutsche Verein "Mensch zuerst" und gab zwei Wörterbücher in leichter Sprache heraus, 2006 entstand ein "Netzwerk für Leichte Sprache". In Deutschland gewann dieses Anliegen mit Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention 2009 an Bedeutung.
Kritiker warnen vor möglicher Manipulation. Verfechter der leichten Sprache argumentieren, dass schon ein teilweises Textverständnis der Zielgruppe weiterhelfen und die Scheu vor Texten nehmen könne. In der Regel sind Menschen mit kognitiven Einschränkungen an der Übertragung der Texte beteiligt, um die Verständlichkeit zu prüfen. Als Gütesiegel hat der Verein Inclusion Europe ein "Europäisches Logo für Leichte Sprache" geschaffen: Es bestätigt, dass ein Text in leichter Sprache verfasst ist und von einem geistig Behinderten geprüft wurde.
Es ist erklärtes Ziel der Bundesregierung, leichte Sprache in den Bundesbehörden weiter zu verbreiten. "Menschen mit Behinderungen haben ein Recht darauf, dass wir ihnen alle Informationen so verständlich wie möglich vermitteln", schreibt Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) in einem Leitfaden von 2014. Experten raten zu einer Bündelung der Initiativen, die es bundesweit gibt. (kna/Stand 01.03.17)
02.03.2017
Hasskommentare über Flüchtlinge und Muslime beschäftigen die deutsche Öffentlichkeit schon länger. Manche machen sie inzwischen sogar für Vorfälle und Entwicklungen verantwortlich, mit denen sie gar nichts zu tun haben.
In Heidelberg rast ein Mann mit einem Auto in eine Menschenmenge, eine Person stirbt. Wenig später findet die Polizei auf Twitter deutliche Worte: Der Tatverdächtige sei ein "Deutscher OHNE Migrationshintergrund!", heißt es. Vorangegangen waren jede Menge rassistischer Spekulationen, Vorverurteilungen und Beschimpfungen von Muslimen und "Gutmenschen" bis hin zur Bundeskanzlerin. Das Warten auf gesicherte Erkenntnisse über Opfer, Täter und Tathergang scheint in solchen Fällen immer mehr Menschen nicht zu interessieren. Manche unterstellten der Polizei gar pauschal, Informationen zurückzuhalten oder zu lügen.
Hetze weitet sich aus
Die Hetze gegen Ausländer, Flüchtlinge und Muslime weitet sich auf absurd-erschreckende Weise aus: Vorfälle, die nichts mit Migranten zu tun haben, werden ihnen in die Schuhe geschoben. Der Sündenbock steht fest - unabhängig von allen Fakten. In Kommentarspalten zu Berichten über Angriffe gegen Flüchtlinge wird das Opfer-Täter-Verhältnis häufig umgedreht.
Solchen Verschiebungen können auch gänzlich Unbeteiligte zum Opfer fallen. So erschien dieser Tage in dem Blog "Politically Incorrect" (PI) ein Beitrag, der die Bemühungen des Bundesfamilienministeriums im Bereich leichte Sprache attackierte. Politiker wie Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) erwarteten von den Deutschen, dass sie sich "den uns bereichernden Invasoren anpassen", heißt es darin. Der Artikel richtet sich nicht nur allgemein gegen Bestrebungen, Informationen zusätzlich in leichter Sprache bereitzustellen, sondern auch konkret gegen den zuständigen Dienstleister, das "Kölner Büro für Leichte Sprache". Das Büro erhält seither nach eigenen Angaben eine Welle von Hassmails.
Das Bundesfamilienministerium ist entsetzt. "Sich über jene Menschen lustig zu machen, die das Angebot der leichten Sprache nutzen, ist geschmacklos. Es wird ganz klar eine Grenze überschritten, wenn durch Äußerungen Menschen in ihrer Würde verletzt oder beleidigt werden", sagt eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage. Wenn möglich, gehe das Ministerium juristisch gegen menschenverachtende Äußerungen vor.
Zudem seien die Angebote für Behörden seit 2012 Pflicht: "Zu Recht, denn sie fördern Inklusion und Teilhabe."
Diskussion um "leichte Sprache"
Bernd Heimbüchel, Leiter des betroffenen Büros, zeigt sich ebenfalls schockiert. Viele Kommentatoren versuchten, wider besseres Wissen die Debatte um Flüchtlinge in das Thema leichte Sprache "hineinzudichten", sagt er. Leichte Sprache richte sich eben nicht an Ausländer mit geringen Deutschkenntnissen, sondern an Menschen mit geistiger Behinderung oder Lernschwäche. Es gehe um Barrierefreiheit, also darum, dass jemand, der einen bürokratischen oder politischen Fachtext nicht versteht, mit Hilfe von leichter Sprache einen Zugang zum jeweiligen Sachverhalt bekommt. Ziel seien Verständigung und Respekt, erklärte kürzlich auch Bundestags-Vizepräsidentin Ulla Schmidt.
In dem PI-Artikel heißt es dagegen, mit Rücksicht auf die vielen Flüchtlinge sei es "sicher nur noch eine Frage der Zeit, bis in unseren Schulen bundesweit so unterrichtet wird". Bestenfalls könne man hier von einem Missverständnis sprechen, erklärt Heimbüchel: Leichte Sprache sei eine reine Schriftsprache, die keinesfalls die deutsche Sprache ersetzen solle. Und für Ausländer gebe es seit Jahrzehnten ein eigenes Konzept, nämlich Deutsch als Fremdsprache.
Wer langfristig in Deutschland bleiben wolle, habe "das Recht und die Möglichkeit, Deutsch zu lernen" - und brauche leichte Sprache nicht.
All diese Informationen sind nicht schwer zu finden, wurde in den vergangenen Jahren doch viel über leichte Sprache berichtet. Doch auch in dem Portal "Tichys Einblick" wurde leichte Sprache jetzt als "Übergangslösung" zu einer "gemeinschaftlich defizitären Gesellschaft" bezeichnet - in einem Beitrag, der zeitgleich mit dem von PI erschien. Andere Portale wie "Die Achse des Guten" oder "sciencefiles.org" veröffentlichten ähnliche Texte. Doch wenn Hetze gegen Menschen mit Behinderungen und diejenigen, die sie auf dem Weg zur gesellschaftlichen Teilhabe unterstützen, künftig Alltag würde, "dann wird es finster in unserem Land", warnt Heimbüchel.
Die vereinfachte Schriftsprache hat das Ziel, Menschen mit Lernschwierigkeiten oder Behinderung die Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Diese "Leichte Sprache" ist nicht zu verwechseln mit "Einfacher Sprache", die sich auch an Menschen mit geringen Sprachkenntnissen richten kann.
Bei der Übertragung von Texten in leichte Sprache gelten bestimmte Regeln: So sollen kurze Hauptsätze mit nur einer inhaltlichen Aussage benutzt, Nebensätze, Konjunktive und Fremdwörter dagegen vermieden werden. Zusammengesetzte Nomen werden mit einem Bindestrich getrennt, Doppelpunkte gezielt als hinweisendes Signal eingesetzt, Frage- und Ausrufezeichen vermieden. Leichte Sprache soll auf die wesentlichen Inhalte aus komplexen Texten verständlich zusammenfassen.
1996 entwickelte die US-amerikanische Organisation "People First" die Idee des "Easy Read". 2001 gründete sich der deutsche Verein "Mensch zuerst" und gab zwei Wörterbücher in leichter Sprache heraus, 2006 entstand ein "Netzwerk für Leichte Sprache". In Deutschland gewann dieses Anliegen mit Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention 2009 an Bedeutung.
Kritiker warnen vor möglicher Manipulation. Verfechter der leichten Sprache argumentieren, dass schon ein teilweises Textverständnis der Zielgruppe weiterhelfen und die Scheu vor Texten nehmen könne. In der Regel sind Menschen mit kognitiven Einschränkungen an der Übertragung der Texte beteiligt, um die Verständlichkeit zu prüfen. Als Gütesiegel hat der Verein Inclusion Europe ein "Europäisches Logo für Leichte Sprache" geschaffen: Es bestätigt, dass ein Text in leichter Sprache verfasst ist und von einem geistig Behinderten geprüft wurde.
Es ist erklärtes Ziel der Bundesregierung, leichte Sprache in den Bundesbehörden weiter zu verbreiten. "Menschen mit Behinderungen haben ein Recht darauf, dass wir ihnen alle Informationen so verständlich wie möglich vermitteln", schreibt Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) in einem Leitfaden von 2014. Experten raten zu einer Bündelung der Initiativen, die es bundesweit gibt. (kna/Stand 01.03.17)