Misereor-Experte zu Kooperation zwischen Deutschland und der Gates-Stiftung

"Auch die Risiken in den Blick nehmen"

Deutschland verstärkt seine Kooperation mit der Bill & Melinda Gates-Stiftung. Gemeinsam wollen sie Grundlagen für Existenzgründungen in Entwicklungsländern fördern. Das Hilfswerk Misereor sieht dies nicht nur mit lachendem Auge.

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller und Bill Gates / © Michael Gottschalk (dpa)
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller und Bill Gates / © Michael Gottschalk ( dpa )

domradio.de: Sie sind einer der Mitherausgeber einer Studie von Brot für die Welt, Misereor und dem Global Policy Forum; und Politikreferent von Misereor. Die Studie befasst sich mit dem Einfluss von Stiftungen auf die deutsche Politikarbeit. Heute haben sich am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz Microsoft-Gründer Bill Gates und Bundesentwicklungsminister Müller getroffen, und zwar um eine Kooperationsvereinbarung zu unterzeichnen. Dabei geht es um viel Geld, und das soll natürlich sinnvoll eingesetzt werden. Ist es da nicht in erster Linie schön, dass sich private Stiftungen wie die von Herrn Gates mit Geldern an der Entwicklungszusammenarbeit beteiligen?

Klaus Schilder (Misereor-Politikreferent): Natürlich begrüßen wir es immer, wenn sich philanthropische Stiftungen entwicklungspolitischen Anliegen und Zielen der Bundesregierung verschreiben. Denn es geht um viel Geld. Die Bill Gates Stiftung hat in den vergangenen Jahren über 150 Millionen Euro in die Kooperation mit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit investiert. Deshalb meinen wir, dass es nicht nur darum gehen sollte, die Chancen dieser Kooperationen zu betonen, sondern auch mögliche Risiken in den Blick zu nehmen und entsprechend klare, transparente Regeln für die Zusammenarbeit philanthropischer Stiftungen mit der Politik in Deutschland zu vereinbaren. 

domradio.de: Es gibt also neben diesen ganzen Chancen auch Risiken. Wie sehen die aus?

Schilder: Wir haben vor allem mit der Herausforderung zu tun, dass die bisherige Kooperation zwischen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und dem Bundesentwicklungsministerium nicht besonders transparent war. Wir wissen sehr wenig darüber, welche Wirkung die 15 bislang unternommenen Kooperationsprojekte wirklich hatten. Wir wissen sehr wenig darüber, inwieweit die Zivilgesellschaft in den Ländern, in denen kooperiert wurde, beteiligt war. Wir wissen auch sehr wenig darüber, ob es gerade dort Interessenskonflikte gab, wo sich wirtschaftliche Interessen der Gates-Stiftung oder beteiligter Unternehmen mit den Inhalten dieser Kooperationsprojekte überschneiden. Es geht letztlich intern um die Frage: Gibt es einen übermütigen und nicht transparenten politischen Einfluss in der Kooperation, der sich einer demokratischen Kontrolle entzieht?

domradio.de: Mit Blick auf die Gates-Stiftung, welche Zweifel bestehen aus Ihrer Sicht an der Sinnhaftigkeit solch einer Kooperation mit einem deutschen Ministerium?

Schilder: Im Prinzip gibt es keine grundsätzlichen Zweifel, aber wir sollten die Rahmenbedingungen und die Transparenz schaffen und sicherstellen, dass demokratische Entscheidungsprozesse nicht ausgehebelt werden. Es ist besonders wichtig, dass die Ziele der Kooperationsprojekte zwischen privaten Stiftungen und der öffentlichen Hand dann auch öffentlich definierten und in Zusammenarbeit mit den Partner- und Entwicklungsländern definierten Prioritäten folgen. Wir haben einige Beispiele der Kooperationen, an denen die Geldstiftung beteiligt war, da ging es vor allem darum, die industrielle Landwirtschaft zu unterstützen. Vor allem, um die Verwendung von dem gentechnisch-modifiziertem, industriell-lizensiertem Saatgut und der Bewerbung  von Markenprodukten. Die Interessen von Kleinbauern und der Aufbau von kleinbäuerischen Strukturen, traten dabei zu sehr in den Hintergrund.

domradio.de: Also kann man sagen, an dieser Stelle unterscheidet sich Ihre Vorstellung von Entwicklungszusammenarbeit von der einer solchen Stiftung?

Schilder: Es liegt nah, dass privat finanzierte Kooperationsprojekte den Interessen der beteiligten privatwirtschaftlichen Akteure folgen. Hier kann nur die Offenlegung von Interessenskonflikten wirklich helfen. Es darf nicht dazu kommen, dass beispielsweise Personal aus den beteiligten privaten Organisationen in die politischen Entscheidungsprozesse eingebunden wird, indem sie eine beratende Funktion in den Regierungen der Entwicklungsländer einnehmen. Da brauchen wir eine klare Regelung der Interessenskonflikte, wie wir sie auch in Deutschland haben. Zudem sollten philanthropische Stiftungen mit ihren Vertretern nicht in der direkten Projektsteuerung beteiligt sein. Auch das führt zu einem Ungleichgewicht, schließlich muss es darum gehen, dass die Menschen vor Ort  bei der Zielsetzung, aber auch bei der Beurteilung der erzielten Wirkung umfassend beteiligt werden.

domradio.de: Wirkt sich eine solche Kooperation von der Gates-Stiftung mit dem Bundesentwicklungsministerium explizit auch auf Ihre Arbeit als Hilfswerk aus?

Schilder: Nein, es gibt natürlich keine direkten Auswirkungen auf unsere Arbeit, weil wir in solchen Kooperationen nicht teilnehmen. Aber es gibt indirekte Auswirkungen. Die Auswahl der Sektoren, in die investiert wird, bestimmt natürlich sehr stark das politische Agenda -Setting. Wir wünschen uns, dass nicht nur den Aufbau von Sektorinitiativen im Gesundheitsbereich investiert wird, sondern auch in den Aufbau und die Stärkung von Gesundheitssystemen in Entwicklungsländern. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um zum Beispiel den Kampf gegen Pandemien wirksam führen zu können. 

Das Interview führte Jann-Jakob Loos.


Klaus Schilder / © N.N. (MISEREOR)
Quelle:
DR