Studie wirft kirchlichen Privatschulen Verstöße vor

Elitäre Bildungshäuser?

Schotten sich Privatschulen sozial ab und missachten dabei auch noch das Grundgesetz? Dieses Ergebnis liefert jedenfalls eine neue Studie. Scharfer Widerspruch kommt von den Rektoren der Jesuitenschulen, unter ihnen Pater Klaus Mertes.

Schüler im Jesuitenkolleg Sankt Blasien / © Harald Oppitz (KNA)
Schüler im Jesuitenkolleg Sankt Blasien / © Harald Oppitz ( KNA )

domradio.de: Eine neue Studie des "Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung" sorgt für Aufregung. Darin wird die These aufgestellt, dass Bundesländer die Vorgaben des Grundgesetzes über die Genehmigung von Privatschulen missachten und die vom Grundgesetz beabsichtigte soziale Durchmischung der Privatschulen nicht stattfinde. Zunächst einmal: Ist Ihr Kolleg eine Eliteschule?

Pater Klaus Mertes (Direktor des Kollegs St. Blasien): Quatsch! Der Begriff Elite ist in Deutschland sozial besetzt und meint immer die einkommensstarken höheren Schichten. Das ist weder für das Kolleg St. Blasien, noch für die kirchlichen Schulen der Fall.

domradio.de: In der Studie heißt es, es findet keine soziale Durchmischung in den Privatschulen statt - obwohl das vom Grundgesetz her verboten ist. Was sagen Sie dazu?

Pater Mertes: Ich frage mich, woher man das wissen will. Woher kommen die Daten? Welche Daten werden erhoben, um solche Behauptungen in den Raum zu stellen?

domradio.de: Das heißt, für Ihre Schule können Sie sagen, dass es nicht so ist?

Pater Mertes: Selbstverständlich nicht!

domradio.de: Ihr Kolleg kostet 150 Euro im Monat. Auf ein Jahr gerechnet kommen dann immerhin 1.800 Euro zusammen. Das können sich sozial schwächere Familien vielleicht nicht leisten, oder?

Pater Mertes: Wir haben hier ganz viele sozial schwächere Familien, die Stipendien bekommen. Bei uns gilt der Grundsatz, den wir auf unsere Webseiten auch überall draufschreiben, dass der Besuch des Kollegs nicht am Schulgeld scheitert. Dass überhaupt Schulgeld erhoben werden muss, hängt ja damit zusammen, dass der Staat die Schulen - sowohl die eigenen, als auch die in nicht-staatlicher Trägerschaft - nicht angemessen refinanziert. Wir machen eine Arbeit, die, wenn wir sie nicht leisten würden, der Staat machen müsste.

domradio.de: Aus Ihrer Stellungnahme geht aber hervor, dass Sie dem Staat vorwerfen, solche Studien zu finanzieren, die die Debatte im Endeffekt nicht weiterbringen, oder?

Pater Mertes: Diese Studie bringt die Debatte nicht weiter, sondern fördert nach unserer Auffassung unter dem Titel "Wissenschaftliche Forschung" reine Klischeevorstellungen. Es werden ein paar Schulen namentlich herausgepickt. Das sind dann Internatsschulen. Da unterscheidet man nicht zwischen Internatsbeitrag und Schulbeitrag, was schon selbst ein großer Unterschied ist. Und da werden dann einfach Schulen namentlich an den Pranger gestellt und ihre Schließung gefordert. Das hat mit Wissenschaft nichts zu tun. Es nützt keinem. Im Gegenteil.

Der Staat müsste meines Erachtens endlich anfangen, sowohl seine eigenen Schulen als auch die sogenannten privaten Schulen endlich angemessen zu refinanzieren. Wenn dann beispielsweise die Kirche aus eigenen Mitteln wie Steuergeldern dafür sorgt, dass die Toiletten in kirchlichen Schulen nicht in dem selben elenden Zustand sind, wie in dem meisten staatlichen Schulen, kann man daraus nicht schließen, dass unsere Schulen soziale Eliteschulen sind.

domradio.de: Aber warum wird das Thema jetzt gerade aufgebracht? Es führt zu Diskussionen, die man durchaus als positiv bewerten kann. Aber warum kocht das gerade wieder hoch?

Pater Mertes: Das weiß ich, ehrlich gesagt, nicht so genau. Ich weiß aber, dass es eine Tradition in der deutschen Bildungspolitik und auch in der Bildungswissenschaft gibt, die prinzipiell der Meinung ist, dass der Staat für Schule verantwortlich sein soll und dass eigentlich freie Schulträger, einschließlich kirchlicher Schulträger, letztlich das System stören.

Das ist meines Erachtens grundgesetzwidrig, denn das Grundgesetz hat ja nach den Erfahrungen mit Erziehungsdiktaturen auf deutschem Boden gesehen, dass es ein großes Anliegen ist, dass sich auch gesellschaftliche Gruppen für Bildung engagieren. Das tut Kirche und das tut der Jesuitenorden wie auch andere Orden.

Deshalb steht meines Erachtens eine ganz grundsätzliche Frage im Raum, nämlich wie wir uns unsere Bildungsrepublik vorstellen. Stellen wie sie uns als eine vor, in der der Staat die ganze Bildung macht oder will der Staat tatsächlich eine Gesellschaft, in der sich auch zivilgesellschaftliche Träger im Bereich Bildung engagieren? Ich bin der Meinung, dass die Gesellschaft ganz viel verlieren würde, wenn der Staat die Bildung für sich monopolisiert.

domradio.de: Und das wäre der Fall, wenn solche Studien herauskommen und damit die kirchlichen Privatschulen in die Ecke gestellt werden.

Pater Mertes: Die Studie spricht ja einfach von Privatschulen. Da entsteht schnell der Eindruck, dass in Privatschulen Privatleute Privatinteressen verfolgen. Das ist aber gar nicht der Fall. Es sind ja öffentlich anerkannte Schulen - gerade die kirchlichen Schulen, die insgesamt rund 80 Prozent des gesamten sogenannten Privatschulsystems in Deutschland ausmachen -, die einen öffentlichen Auftrag erfüllen.

Sie führen zu öffentlich anerkannten Abschlüssen. Das heißt, sie leisten einen großen Dienst für diese Bildungsrepublik. Wenn die kirchlichen Schulen aufhören würden diesen Dienst zu leisten, dann müsste das alles der Staat übernehmen, was insgesamt für den Staat erheblich teurer werden würde. Insofern spart der Staat sogar an unseren Schulen.

Das Interview führte Silvia Ochlast.


Klaus Mertes SJ / © Markus Nowak (KNA)
Klaus Mertes SJ / © Markus Nowak ( KNA )
Quelle:
DR