Prag macht den Weg frei für Roma-Gedenken in Lety

Gedenkstätte statt Schweinemastanlage

Eine zu sozialistischen Zeiten errichtete Schweinemastanlage auf dem Gelände des ehemaligen NS-Konzentrationlagers in Südböhmen verhinderte lange ein Gedenken an die Opfer. Doch nun lenkt das Kabinett in Prag ein.

Autor/in:
Hans-Jörg Schmidt
Gedenktafeln auf dem Friedhof in Mirovice für die in Lety ermordeten Roma-Kinder / © Wikipedia  (CC BY-SA 3.0)
Gedenktafeln auf dem Friedhof in Mirovice für die in Lety ermordeten Roma-Kinder / © Wikipedia ( CC BY-SA 3.0 )

Karel Holomek, Präsident der tschechischen Roma-Vereinigung, atmete hörbar auf: "Das ist eine gute Nachricht für alle anständigen Menschen. Es wird damit anerkannt, dass das Gedenken der Roma an die Opfer des Roma-Holocaust ebenso geschätzt wird wie das an jedwede anderen Opfer."

Holomek reagierte damit auf den Beschluss der tschechischen Regierung, ein langjähriges Problem zu lösen: Die Schweinemastanlage, die auf dem Gelände des früheren NS-Konzentrationslagers für Roma in Lety steht und ein würdiges Gedenken an die Opfer verhindert, soll weg. An der Stelle soll eine Gedenkstätte entstehen. Eine Studie soll nun die Kosten für den Kauf des Mastbetriebes und dessen Verlagerung klären.

241 Kinder starben

Letys Geschichte ist kompliziert: Noch vor der NS-Besetzung Böhmens und Mährens, am 2. März 1939, verabschiedete die damalige Prager Regierung ein Gesetz über die Einrichtung von "Arbeitslagern für Arbeitsscheue". Die Nationalsozialisten übernahmen nach ihrem Einmarsch dieses Gesetz und ließen in Lety ein KZ bauen. Die Leitung und die Bewachung übertrugen sie Tschechen, die für die Protektoratsregierung arbeiteten. Unter deren Aufsicht wurden 540 Roma in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. In Lety selbst starben 326 Menschen, darunter 241 Kinder. Es gab noch vier weitere solcher "Zigeunerlager" im Protektorat, in denen die Inhaftierten Zwangsarbeit verrichten mussten.

Dass Tschechen in Lety zu Tätern wurden, ist kein Ruhmesblatt. Und so bemühte man sich - auch nach dem gesellschaftspolitischen Umbruch 1989 - die Sache zu bagatellisieren. Als 2005 das Europaparlament die Beseitigung der Schweinemastanlage verlangte, geriet der damalige Präsident Vaclav Klaus in Rage. Lety sei lediglich ein "Sammellager für Arbeitsunwillige gewesen", in dem es "ein paar Typhustote" gegeben habe, wetterte er. Ähnlich äußerte sich jüngst der Vizepremier und Finanzminister Andrej Babis: "Wer nicht arbeitete, der war halt im Handumdrehen dort."

Rose niedergelegt

Allein die Tatsache, dass in Lety auch Kinder im keineswegs arbeitsfähigen Alter gefangen gehalten wurden, spricht gegen die Behauptung von Babis, dem sogleich vorgehalten wurde, den Roma-Holocaust leugnen zu wollen. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka forderte eine Entschuldigung.

Babis wehrte sich zunächst, er sei falsch zitiert worden. Gemeinsam mit zwei anderen Ministern fuhr er dann jedoch nach Lety und legte an einem provisorischen Mahnmal eine Rose nieder. Später entschuldigte er sich im Abgeordnetenhaus für seine Worte.

Zeiten haben sich geändert

Jetzt versprach Babis, Geld aus dem Staatshaushalt locker zu machen, um das Problem zu lösen. "Am Ende", so schrieb am Dienstag die tschechische Presse, "hat die Peinlichkeit von Babis paradoxerweise am meisten zur Lösung des Problems beigetragen." Er habe sich schlecht weigern können, das Geld zu bewilligen.

Einig waren sich die Kommentatoren auch darüber, dass die Schweinemast nicht wegen Geldmangels noch immer auf dem Gelände steht - auch wenn das eine Regierung nach der anderen fast 20 Jahre lang behauptet habe. "Alle Regierungen fürchteten, dass ihnen die Opposition das Projekt um die Ohren hauen wird", so die Zeitung "Lidove noviny". "Doch die Zeiten haben sich geändert." Die Politik habe begriffen, "dass es an einem Ort, an dem auch Kinder nur wegen ihrer etwa dunkleren Hautfarbe starben, nicht mehr opportun ist, die ansonsten beliebte Karte der Roma-Feindlichkeit zu ziehen".

Neuer Feind

Dieser Kommentar enthält jedoch auch ein gerüttelt Maß Schönfärberei. Dass bislang in Sachen Lety der politische Wille fehlte, hat viel mit der Einstellung der tschechischen Mehrheitsgesellschaft gegenüber den Roma zu tun. An der wiederum richten sich die Politiker aus.

Dass sich nun eine Lösung anbahnt, hängt vor allem mit der veränderten Stimmungslage im Land zusammen. Es gibt seit längerem keine Anti-Roma-Demonstrationen mehr, auf denen ebenso ungeniert wie lautstark verlangt wird: "Zigeuner ins Gas!" Der Grund für die Ruhe: Die tschechische Gesellschaft, inklusive der Politik, hat aktuell einen ganz anderen Feind - die Flüchtlinge, die aus dem Nahen Osten oder aus Afrika nach Europa kommen.


Quelle:
KNA