Rheinland-Pfalz beschleunigt Job-Vermittlung bei Flüchtlingen

Zeugnisse auf dem Handy

Bis Flüchtlinge Arbeit finden, dauert es in der Regel Monate. Rheinland-Pfalz will den Prozess deutlich beschleunigen - und beginnt schon in den Erstaufnahmeeinrichtungen damit, die Jobkompetenzen der Asylbewerber zu erfassen.

Autor/in:
Michael Merten
Azubi aus Vietnam (dpa)
Azubi aus Vietnam / ( dpa )

Nur der Urdu-Dolmetscher fehlt noch. Araber, Syrer, Eritreer - für fast alle der 100 Flüchtlinge stehen Dolmetscher bereit. In wenigen Minuten soll der Vortrag über den deutschen Arbeitsmarkt beginnen, doch der Asylbewerber, der für die kleine Gruppe aus Nordafghanistan übersetzen sollte, ist nirgends zu finden.

Julia Schmitt bleibt gelassen: Sie fragt sich durch die Reihen und findet schließlich einen Afghanen, der englisch spricht. "Ja, er machts!", ruft sie, huscht mit einem fröhlichen Lächeln zu ihrem Notebook und beginnt ihre Präsentation.

Lange Jobsuche 

"Hello and welcome", so startet die Caritas-Mitarbeiterin ihre Info-Veranstaltung über den Arbeitsmarkt in Deutschland. Ihr Publikum in der Mensa der früheren General-von-Seidel-Kaserne, einer Außenstelle der Trierer Erstaufnahmeeinrichtung, hört konzentriert zu. Schmitt und ihre Kollegin Ulrike Stumm von der Diakonie erklären, was es mit dem komplexen deutschen Arbeitsmarkt, dem Gesundheits- und Sozialsystem auf sich hat. "Es gibt ein neues Gesetz, dass Sie mindestens 8,50 Euro pro Stunde verdienen. Aber bedenken Sie, dass Sie davon noch die Steuern und Abgaben bezahlen müssen", erläutert Stumm.

Die beiden Frauen wollen Flüchtlingen dabei helfen, sich möglichst schnell eine neue, eine selbstständige Existenz aufzubauen. Zwar dürfen Asylbewerber erst drei Monate nach ihrer Ankunft in Deutschland arbeiten, und auch danach gibt es Restriktionen. Doch faktisch dauert die Jobsuche meist ungleich länger. Bevor die Flüchtlinge ab dem vierten Monat einer bestimmten Kommune zugeteilt werden, gibt es nur in den seltensten Fällen überhaupt einen Beratungstermin im Jobcenter.

Ungenutzte Zeit 

Bis dahin verstreicht mitunter viel ungenutzte Zeit. In den Erstaufnahmeeinrichtungen werden nur Angaben zur Person erfasst, nicht aber zur Erwerbsbiografie. Deshalb haben das Arbeits- und das Integrationsministerium von Rheinland-Pfalz, die Bundesagentur für Arbeit und kirchliche Hilfswerke das Projekt "Kompetenzen erfassen, Chancen nutzen" gestartet. "Wir führen dabei alle Beteiligten in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes zusammen", erklärt Landesarbeitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD).

Seit Juni erfassen Mitarbeiter von Caritas und Diakonie in Trier, Ingelheim und nach und nach auch an weiteren Erstaufnahme-Standorten frühzeitig die Job-Qualifikationen von Asylbewerbern. Zwei- bis dreimal wöchentlich gibt es Info-Veranstaltungen und Einzelsprechstunden. In Trier haben sich die Projektmitarbeiterinnen im früheren Pförtnerhaus der Kaserne ein Büro eingerichtet. Ein Tisch, ein paar Stühle, viel mehr steht nicht darin. Es ist provisorisch, ganz so wie die meisten Angebote der Flüchtlingshilfe in den vergangenen Monaten.

Lebensläufe erfassen 

Die studierte Politologin Stumm und die Diplom-Geographin Schmitt erfassen mit einem Fragebogen der Arbeitsagentur den Lebenslauf der Flüchtlinge. Schulabschluss, Studium, Lehre, Berufspraxis - je nach Herkunftsland gibt es teils große Unterschiede zur deutschen Praxis.

Oft fehlen vergleichbare Standards, oder die Asylbewerber haben ihre Zeugnisse und Zertifikate verloren. "Aber erstaunlich viele haben auch PDF-Dateien davon auf ihren Handys", berichtet Stumm. Ein Mitarbeiter der Agentur für Arbeit bietet Beratungsgespräche an und erfasst die Flüchtlinge im System der Agentur.

"Wirtschaft offen für Flüchtlinge" 

Bislang haben sich laut Arbeitsministerium rund 360 Flüchtlinge erfassen lassen; die meisten sind Männer zwischen 16 und 45 Jahren. Bätzing-Lichtenthäler ist überzeugt, dass nicht nur die Asylbewerber, sondern auch Unternehmen auf der Suche nach Fachkräften neue Perspektiven erhalten können: "Die Wirtschaft ist sehr offen für Flüchtlinge und zeigt auch ein großes Engagement."

Mitarbeiterin Julia Schmitt weiß, dass es die Asylbewerber bei der Jobsuche schwer haben werden. Aber sie kann den oft orientierungslosen Menschen eine Richtung, ein Ziel aufzeigen. Viele seien dankbar darüber, dass es in den Gesprächen einmal nicht um ihre Flucht gehe, sondern um Fähigkeiten, Qualifikationen, berufliche Erfolge. Schmitt lächelt und sagt: "Die Leute merken: Ich bin auch 'was wert."


Quelle:
KNA