Kinder aus Hartz-IV-Familien haben häufiger Defizite

Arm fürs Leben

Kinder aus Hartz-IV-Familien sind viel häufiger in ihrer Entwicklung gebremst als Jungen und Mädchen aus sicheren Einkommensverhältnissen. Zu diesem alarmierenden Ergebnis kommt eine aktuelle Bertelsmann-Studie.

Grundschüler im Unterricht (dpa)
Grundschüler im Unterricht / ( dpa )

Nach einer am Freitag in Gütersloh veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung zeigen sich bei Kindern aus Familien, die staatliche Grundsicherung erhalten, doppelt so häufig Defizite wie bei anderen Kindern. Auswertungen von Schuleingangsuntersuchungen hätten ergeben, dass Fünf- und Sechsjährige aus Hartz-IV-Familien schlechter zählen und Deutsch sprechen können, öfter unter Konzentrationsmängeln leiden, häufiger übergewichtig sind und über geringere Koordinationsfähigkeiten verfügen.

Für die Stiftung werteten das Zentrum für interdisziplinäre Regionalforschung (ZEFIR) an der Universität Bochum und die Stadt Mülheim an der Ruhr die Daten von knapp 5.000 Schuleingangsuntersuchungen aus den Jahren 2010 bis 2013 aus, wie es hieß. Während 43,2 Prozent der armen Kinder mangelhaft Deutsch sprechen, wurde dies nur 14,3 Prozent der anderen attestiert. Probleme in der Körperkoordination haben 24,5 Prozent der Kinder aus armen Familien (Übrige: 14,6). Deutlich übergewichtig sind 8,8 Prozent der Kinder, die von staatlicher Grundsicherung leben (Übrige: 3,7).

Die Defizite gehen laut Studie einher mit einer geringeren Teilhabe an sozialen und kulturellen Angeboten. So erlernten nur 12 Prozent der armutsgefährdeten Kinder ein Instrument (Übrige: 29). Vor Vollendung des dritten Lebensjahres gingen nur 31 Prozent von ihnen in eine Kita, aber 47,6 der anderen. Nur 46 Prozent Kinder aus Hartz-IV-Familien sind vor Schuleintritt in einem Sportverein, aber 77 Prozent der übrigen. Gerade die Mitgliedschaft in einem Sportverein wirke sich nicht nur auf Körperkoordination positiv aus, sondern auf alle Entwicklungsmerkmale, so die Stiftung.

Kitas können nur bedingt helfen

Zwar könne ein früher Kita-Besuch negative Folgen von Kinderarmut verringern, meinen die Autoren, aber dies sei kein Automatismus. Positive Effekte für die kindliche Entwicklung träten nur dann ein, wenn die Kita-Gruppen sozial gemischt seien. Dies sein in Kitas in sozialen Brennpunkten oft nicht gewährleistet. Diese bräuchten mehr Geld, Personal und andere Förderangebote, sagte Brigitte Mohn, Vorstand der Stiftung.

Unterdessen forderten Verbände Maßnahmen von der Bundesregierung. So sprach sich der Paritätische Wohlfahrtsverband für eine deutliche Verbesserung des Kinderzuschlags und eine Reform des Bildungs- und Teilhabepakets aus. Zudem müsse die öffentlich geförderte Beschäftigung ausgebaut werden. Die Arbeiterwohlfahrt will eine «gute und kostenfreie Kitabetreuung». Die Kitas könnten die Entwicklung von Kindern vor allem in den ersten Lebensjahren umfassend und nachhaltig fördern. Das christliche Kinder- und Jugendwerk Arche mahnte eine bessere Unterstützung von Kindern aus sozial schwachen Familien an.

Die Stiftung und die Landesregierung Nordrhein-Westfalen haben in 18 Städten und Kreisen das Pilotprojekt «Kein Kind zurücklassen» gestartet. Gemeinsam sollen Präventionsketten entwickelt werden, um armutsgefährdete Kinder frühzeitig zu fördern.


Quelle:
KNA