Ebola-Epidemie: Salesianer auf verlorenem Posten

Kampf ohne Lichtblick

Ärzte flüchten vor Ebola, Pflegekräfte sterben, Schutzkleidung fehlt - ein deutscher Ordensbruder schildert chaotische Zustände in Sierra Leone. Jetzt droht auch noch Hunger. Versinkt das Land im Chaos?

Autor/in:
Elke Silberer
 Bruder Lothar Wagner von der Don Bosco Mission (dpa)
Bruder Lothar Wagner von der Don Bosco Mission / ( dpa )

Bruder Lothar Wagner sitzt Tausende von Kilometern entfernt im afrikanischen Sierra Leone. Die Telefonleitung ist schlecht, wird immer wieder unterbrochen. Aber seine Botschaft kommt klar und deutlich rüber: "Die Ebola-Epidemie ist außer Kontrolle. Wichtige Präventionsmaßnahmen, damit sich die Epidemie nicht weiter ausbreitet, die finden nicht statt", sagt der Mann in der Hauptstadt Freetown.

Der 40 Jahre alte Salesianerbruder aus Trier leitet das Kinder- und Jugendschutzzentrum Fambul (Familie) der katholischen Ordensgemeinschaft der Salesianer Don Boscos (Bonn). Eine Anlaufstelle zum Beispiel für Straßenkinder oder vergewaltigte und missbrauchte Mädchen. Jetzt kommen noch die vielen Ebola-Waisen dazu und Kinder, die von Ebola geheilt sind und von ihren Eltern aus irrationalen Gründen vertrieben wurden. Kranke Mädchen und Jungen etwa mit Malaria werden ebenfalls im Waisenhaus behandelt.

Das Zentralkrankenhaus in Freetown sei zwar noch offen, aber es gebe keine Mediziner mehr. "Ärzte und Pfleger können sich nicht vor Ebola schützen. Sie haben Angst, sich zu infizieren und laufen weg", schildert Wagner. Viele seien gestorben. Es gebe nicht einmal Mundschutz oder Handschuhe, geschweige denn eine Isolationsstation. Patienten mit anderen Krankheiten, die dort lägen, würden sterben.

Enttäuscht von den VN

Seit Wochen versuche das Don-Bosco-Zentrum eine Isolationsstation aufzubauen. Wagner wiederholt: "Seit vier Wochen." Viele private Fluggesellschaften hätten Flüge abgesagt, es komme kein Material ins Land. Jetzt deute sich nach zähen Bemühungen eine Lösung an, mit Hilfe von "Ärzte ohne Grenzen". Empörung schwingt mit: "Warum schicken die Vereinten Nationen nicht eigene Maschinen? Das ist für mich der eigentliche Skandal."

Die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" hat unlängst der Weltgemeinschaft Versagen vorgeworfen. "Die Regierungen versagen angesichts dieser grenzüberschreitenden Bedrohung", stellte die Präsidentin Joanne Liu nach Angaben der Hilfsorganisation bei einer Anhörung bei den Vereinten Nationen fest. Die weitere Ausbreitung des Virus könne nur durch eine umfangreiche Entsendung von spezialisierten und medizinischen Einheiten aufgehalten werden.

Die Staaten mit einem Katastrophenschutzapparat gegen biologische Gefährdung seien in der Verantwortung zu helfen. Innerhalb weniger Tage könnten sie ausgebildetes Personal nach Westafrika schicken. In Sierra Leone verwesten Ebola-Tote auf den Straßen. "Es ist ein Wettlauf mit der Zeit und Ebola scheint zu gewinnen", so Joanne Liu.

In Freetown habe es in der vergangenen Woche so viele neue Infektionen gegeben wie nie zuvor, sagt Bruder Wagner. Bei Neuinfizierten würden nicht die vorherigen Kontaktpersonen ermittelt. "Die Menschen sind überfordert, es fehlt an Personal. Die Lage ist außer Kontrolle." Gesundheitssystem, Justizwesen, Infrastruktur - alles sei zusammengebrochen.

Der von den Vereinten Nationen prognostizierte Nahrungsmangel durch Handelsbeschränkungen und Ernteausfälle macht sich bereits bemerkbar, wie der Ordensmann schildert: "Die Lebensmittelpreise steigen ins Unermessliche." Die Menschen hätten von Tag zu Tag weniger zu essen. Das sei ein Nährboden für Unruhen und Plünderungen. "Ich sehe Sierra Leone in zwei, drei Wochen so weit, dass wir die Situation nicht mehr im Griff haben. Die UN muss sich bewusst sein, dass wir hier einen Krisenherd haben."

Hohe Dunkelziffer

Der Ebola-Erreger war zuerst in Guinea aufgetaucht. Inzwischen sind auch Liberia, Sierra Leone, Nigeria und Senegal betroffen. Bisher registrierte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rund 3500 bestätigte und Verdachtsfälle. Die Dunkelziffer dürfte hoch liegen.

Einige seiner Mitarbeiter haben sich von ihm beurlauben lassen, sie haben Angst. Wagner will bleiben. "Für mich als Ordensmann geht es darum, dass wir jetzt bei den Menschen sind. Wir können doch jetzt nicht weglaufen." Er spricht nicht von seiner eigenen Angst vor diesem gefährlichen Virus - jeder zweite Infizierte überlebt die aktuelle Epidemie nicht. Wagner spricht von seiner Angst, dass ihm die Luft ausgehen könnte in diesem Kampf ohne Lichtblick.


Quelle:
dpa