Zahl der Toten nach Schiffsunglück vor Lampedusa steigt weiter

Umdenken in Flüchtlingspolitik gefordert

Immer wieder sterben Flüchtlinge aus Afrika, bevor sie die rettende Küste von Lampedusa erreichen. Diesmal ist die Zahl der Toten besonders hoch. Rufe nach einem Umdenken in der Flüchtlingspolitik werden laut.

Wieder ist ein Flüchtlingsschiff gesunken (dpa)
Wieder ist ein Flüchtlingsschiff gesunken / ( dpa )

Die Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa lässt Rufe nach einem Umdenken in der Flüchtlingspolitik laut werden. Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano forderte die EU und die internationale Gemeinschaft auf, seinem Land bei der Bewältigung des Zustroms zu helfen. Papst Franziskus machte die Gleichgültigkeit vor der Not anderer Menschen für das neuerliche Unglück mit mindestens 130 Toten verantwortlich. "Heute ist ein Tag des Weinens", sagte er am Freitag in Assisi. Bundespräsident Joachim Gauck rief dazu auf, angesichts des Flüchtlingselends nicht wegzuschauen.

Einen Tag nach dem Brand auf einem Flüchtlingsschiff mit rund 500 Menschen an Bord vor der Küste von Lampedusa wurden immer mehr Leichen geborgen. Nach Berichten des italienischen Rundfunks wurden bis zum Freitagmorgen 130 Tote an Land gebracht. Im Rumpf des gekenterten Schiffes sollen Dutzende weitere Leichen liegen. 155 Flüchtlinge überlebten das Unglück. Die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa ist Jahr für Jahr das Ziel Tausender Bootsflüchtlinge aus Afrika.

In Italien löste das Flüchtlingsdrama eine Debatte über den Umgang mit Flüchtlingen aus. Staatspräsident Napolitano rief laut Presseberichten zu einer Überarbeitung des Einwanderungsgesetzes auf. Italien müsse rasch überprüfen, "welche Regeln die Aufnahme behindern, die unseres Landes würdig ist und den Grundprinzipien von Menschlichkeit und Solidarität entspricht". Die italienische Regierung hatte für Freitag einen Tag der Staatstrauer angeordnet.

Unterdessen machte der Gründer der ehemaligen Separatistenpartei Lega Nord, Umberto Bossi, die frühere Sprecherin des UN-Flüchtlingshochkommissariats in Italien und derzeitige Senatspräsidentin Laura Boldrini sowie die im Kongo geborene Integrationsministerin Cécile Kyenge für das Unglück verantwortlich.

Durch ihre Forderungen nach Solidarität und nach einer Aufweichung des Einwanderungsgesetzes gäben sie Anreize für die Überfahrten nach Lampedusa. Die Hilfsorganisation Pro Asyl erhob richtete unterdessen schwere Vorwürfe gegen die EU-Staaten. "Die Grenzen zu Europa werden immer weiter abgeriegelt", sagte der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Solange die EU Grenzstaaten wie Italien, Griechenland, Malta und Zypern mit der Flüchtlingsfrage allein lasse, würden sich solche Tragödien wiederholen. Der Asyl-Experte sprach sich für einen gemeinsamen europäischen Rettungsdienst für das Mittelmeer aus.

Elias Bierdel, Gründungsmitglied der Organisation Borderline-Europe, machte im "Morgenmagazin" des ZDF eine "völlig verfehlte europäische Politik" für die Katastrophe verantwortlich. Die habe das Ziel, Boote aus Afrika abzuwehren statt Menschen zu retten.

Bundespräsident Gauck sprach sich für den besonderen Schutz von Zuflucht suchenden Menschen aus. "Wegzuschauen und sie hineinsegeln zu lassen in einen vorhersehbaren Tod, missachtet unsere europäischen Werte", sagte Gauck laut Redemanuskript anlässlich der Verleihung von Verdienstorden der Bundesrepublik am Freitag in Berlin.

Die Menschen auf dem Flüchtlingsschiff hatten Donnerstagmorgen eine Decke in Brand gesteckt, um durch den Lichtschein die Bewohner der zu Lampedusa gehörigen Insel Conigli auf sich aufmerksam zu machen. Daraufhin hatte das Feuer sich rasch ausgebreitet und das Schiff zum Kentern gebracht. Die Überreste des Schiffs wurden eine halbe Seemeile von Conigli entfernt auf dem Meeresboden entdeckt.


Quelle:
KNA , epd , dpa