Als erste Institution in Deutschland hat die katholische Kirche eine Vereinbarung mit dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch beschlossen.
Auf Eckpunkte hatten sich der Missbrauchsbeauftragte Johannes-Wilhelm Rörig und der Trierer Bischof Stephan Ackermann bereits im vergangenen November verständigt. Demnach soll die Aufarbeitung in den katholischen Bistümern transparent und nach einheitlichen Kriterien erfolgen. Auch sollen unabhängige Experten und Betroffene an dem Prozess teilnehmen. Ackermann ist zugleich Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz.
Die Aufarbeitung befasst sich auch mit jenen Fällen, die infolge von Verjährung oder Versterben der Beteiligten nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden können. Die Bischöfe wollen sich zur Einhaltung von Standards und Kriterien bei der Aufarbeitung und zur Errichtung dafür notwendiger "Aufarbeitungskommissionen" verpflichten. Die Aufarbeitung soll von unabhängigen Fachleuten und unter Mitwirkung der Opfer durchgeführt werden.
Neben der quantitativen Erhebung von Missbrauch geht es darum, herauszuarbeiten, wie die Verantwortlichen in den Bistümern und Orden mit den Tätern und den Betroffenen umgegangen sind. Auch sollen die Strukturen benannt werden, die sexuellen Missbrauch von Minderjährigen durch Geistliche und Kirchenangestellte ermöglicht oder begünstigt haben. (KNA, 28.4.20)
08.06.2020
Opfer sexueller Gewalt kritisieren die mit der Bundesregierung abgestimmte Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche. Der Betroffenenbeirat des Erzbistums Köln bemängelt etwa eine fehlende zentrale Aufarbeitungskommission.
Die Ende April vorgelegte Vereinbarung zwischen den Bischöfen und dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung gehe auf zahlreiche Forderungen der Missbrauchsopfer nicht ein, erklärte der sogenannte Betroffenenbeirat des Erzbistums Köln am Montag. Das Gremium, dem zwölf Missbrauchsopfer angehören, ist in die Präventionsarbeit der Erzdiözese eingebunden.
"Gewaltiges Mitspracherecht" der Kirche
Zwar begrüßt der Beirat in der vom Erzbistum verbreiteten Erklärung, dass es eine Vereinbarung gibt. Danach sollen in den 27 Diözesen unabhängige Kommissionen den Missbrauch nach einheitlichen Kriterien aufarbeiten und dabei neben Bistumsvertretern, Experten aus Wissenschaft, Fachpraxis, Justiz und Verwaltung auch Betroffene mitwirken.
Nach Ansicht des Betroffenen-Gremiums hat sich die Kirche zwar allem Anschein nach der Kontrolle durch den Missbrauchsbeauftragten unterworfen, bekomme aber gerade dadurch "amtlich ein gewaltiges Mitspracherecht eingeräumt". Dies gelte umso mehr, als die Bistümer die Kommissionsmitglieder beriefen.
27 verschiedene Kommissionen zuständig
Weiter bemängelt der Beirat, dass es auch künftig keine zentrale Aufarbeitungskommission gibt, sondern 27 verschiedene Kommissionen. Es sei noch nicht einmal garantiert, dass alle Bistümer mitmachten.
Die Entscheidungsgewalt für den Aufarbeitungsprozess bleibe bei jedem Bischof. Zudem werde Betroffenen ein Recht auf Akteneinsicht nicht ausdrücklich zugesprochen.
"Entsetzen" über Zeitplan
Moniert wird zudem, dass in dem Papier Orden "mit ihren zahllosen Tatorten" in Internaten, Heimen und Schulen nicht einbezogen seien. "Entsetzt" zeigt sich der Beirat über den vorgeschlagenen Zeitplan der Aufarbeitung: "10 Jahre nach dem Missbrauchstsunami von 2010 sollen weitere 5 Jahre vergehen, bis Ergebnisse vorliegen."
Viele Betroffene seien im fortgeschrittenen Alter und hätten keine Zeit zu verlieren. Der Betroffenenbeirat fordert von den Bistümern Transparenz bei der Auswahl der Kommissionsmitglieder, erste Ergebnisse spätestens nach zwei Jahren und den Beitritt der Orden zu der Vereinbarung.
Verlangt werden auch "Entschädigungen im mittleren sechsstelligen Euro-Bereich für lebenslange Missbrauchsfolgen". Die katholische Kirche hatte seit 2011 Missbrauchsopfern in der Regel einen Pauschalbetrag von 5.000 Euro "in Anerkennung des erlittenen Leids" gegeben. Nach einem im März 2020 vorgelegten Modell sollen entsprechend der zivilrechtlichen Schmerzensgeld-Tabelle Summen zwischen 5.000 und 50.000 Euro pro Fall gezahlt werden.
Als erste Institution in Deutschland hat die katholische Kirche eine Vereinbarung mit dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch beschlossen.
Auf Eckpunkte hatten sich der Missbrauchsbeauftragte Johannes-Wilhelm Rörig und der Trierer Bischof Stephan Ackermann bereits im vergangenen November verständigt. Demnach soll die Aufarbeitung in den katholischen Bistümern transparent und nach einheitlichen Kriterien erfolgen. Auch sollen unabhängige Experten und Betroffene an dem Prozess teilnehmen. Ackermann ist zugleich Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz.
Die Aufarbeitung befasst sich auch mit jenen Fällen, die infolge von Verjährung oder Versterben der Beteiligten nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden können. Die Bischöfe wollen sich zur Einhaltung von Standards und Kriterien bei der Aufarbeitung und zur Errichtung dafür notwendiger "Aufarbeitungskommissionen" verpflichten. Die Aufarbeitung soll von unabhängigen Fachleuten und unter Mitwirkung der Opfer durchgeführt werden.
Neben der quantitativen Erhebung von Missbrauch geht es darum, herauszuarbeiten, wie die Verantwortlichen in den Bistümern und Orden mit den Tätern und den Betroffenen umgegangen sind. Auch sollen die Strukturen benannt werden, die sexuellen Missbrauch von Minderjährigen durch Geistliche und Kirchenangestellte ermöglicht oder begünstigt haben. (KNA, 28.4.20)