Kirchenjuristin: Missbrauch nicht nur durch Kleriker verfolgen

"Kann ein Priester wirklich objektiv sein?"

Nichtgeistliche beteiligen und diesen Verantwortung übertragen: Die Strafverfolgung von Missbrauch in den eigenen Reihen darf die katholische Kirche laut der Erfurter Kirchenrechtlerin Myriam Wijlens nicht mehr allein Klerikern überlassen.

Gericht im Vatikan / © Cristian Gennari (KNA)
Gericht im Vatikan / © Cristian Gennari ( KNA )

"Kann ein Priester wirklich objektiv sein, wenn er den Fall eines Mitbruders untersucht, dem Missbrauch vorgeworfen wird - oder den eines Bischofs, der ihn geweiht hat?", fragte Wijlens bei einer Abschlussfeier am Kinderschutzzentrum der Universität Gregoriana am Freitag in Rom.

"Die Zeit, dass Kleriker sich allein um Missbrauch kümmern konnten, ist lange vorbei", so die Theologin.

Es gibt schon Ausnahmen

Zwar gebe es bislang schon Ausnahmen, so dass auch Kirchenjuristen, die keine Kleriker sind, bei entsprechenden Verfahren beteiligt seien, sagte Wijlens in ihrem Vortrag. Doch dies dürften nicht länger Ausnahmen sein. Wenn Priester gegen Priester ermittelten, komme das im staatlichen Recht einer Befangenheit gefährlich nahe.

Im Dezember hatte der Papst das Kirchenrecht in der Hinsicht geändert, dass Laien in Strafverfahren regulär zumindest als Anwälte auftreten können, noch nicht aber als Richter oder Strafverfolger.

Wijlens, die während ihres Studiums in den 80er Jahren in Kanada den ersten großen Missbrauchsfall miterlebt hatte, erinnerte daran, dass es bereits damals kritische Fragen gegeben habe, warum laut dem Kirchenrecht nur Kleriker gegen Kleriker ermitteln und urteilen dürften. Aus ihrer Erfahrung als Kirchenjuristin wisse sie, dass sie heute als Angestellte einer staatlichen Universität bei Ermittlungen eine "größere innere Freiheit" spüre als in der Zeit, in der sie noch bei einem Bistum angestellt gewesen sei.

Klare Richtlinien und Gesetze

Gegen Missbrauch und Vertuschung braucht die Kirche laut Wijlens einerseits klare Richtlinien und Gesetze, die den kulturellen und staatlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen Ländern angemessen sind. Daran habe die Kirche in den vergangenen Jahren Etliches getan.

Zusätzlich nötig seien aber "robuste, verlässliche Praktiken" und die innerliche Bereitschaft aller, in der Kirche mitzuarbeiten.

Bei der Feier an der Gregoriana in Anwesenheit von Chicagos Kardinal Blase Cupich erhielten 25 Absolventen eines halbjährigen Studiengangs "Safeguarding" ihr Abschlusszeugnis. Es war der inzwischen fünfte Diplomstudiengang des Kinderschutzzentrums (CCP). Dieser wendet sich an Kirchenmitarbeiter, die in ihren Ländern Präventionsmaßnahmen gegen Missbrauch sowie Intervention und Aufarbeitung erarbeiten und durchführen sollen.


Quelle:
KNA