Kirchenrechtler zu Missbrauchsvorwürfen

Den Rechtsweg einhalten

Der katholische Kirchenrechtler Heribert Hallermann beobachtet beim Umgang mit Missbrauchsvorwürfen bisweilen eine "falsch verstandene Transparenz". Die Frage, wie ein gerechter Umgang mit beschuldigten Klerikern aussehe, sei derzeit wenig im Blick.

Symbolbild Missbrauch in der Kirche / © Clearviewstock (shutterstock)
Symbolbild Missbrauch in der Kirche / © Clearviewstock ( shutterstock )

Vielmehr dauere es oft "nur wenige Tage, bis das Bistum den Klarnamen des Beschuldigten sowie den Tatvorwurf öffentlich bekannt gibt", schreibt der emeritierte Würzburger Professor in einem Gastbeitrag für das Internetportal katholisch.de. Kirchenrechtlich sei unklar, was eine Beurlaubung von allen Ämtern bedeute. "Rechtssicherheit und Vertrauensschutz sehen anders aus."

Dabei müssten rechtliche Verfahren genau beachtet werden, so Hallermann. Andernfalls entstehe ein Verdacht von Willkür und missbräuchlicher Machtausübung: "Und es ist genau dieser Verdacht, der massiv zur Zerstörung des Vertrauens in die Kirche beiträgt."

Fürsorgepflicht für Beschuldigte

Der Wissenschaftler verweist auf die Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz, nach denen die Unschuldsvermutung gilt und bis zum Erweis ihres Gegenteils eine Fürsorgepflicht für Beschuldigte bestehe. Tatsächlich geschehe es "nicht selten, dass die Beiziehung eines kirchenrechtlichen Anwalts verweigert wird".

Beschuldigte würden in ihrem Verteidigungsrecht behindert, und ihr Ruf werde nachhaltig beschäftigt - "vor allem dann, wenn die Presse zu Beginn des Verfahrens ohne Not vom Bistum selbst und zulasten des Beschuldigten auf den Plan gerufen wurde".

Die kirchenrechtliche Voruntersuchung sei mit staatsanwaltlichen Ermittlungen zu vergleichen, erläutert der Experte. Beide Verfahren sollten klären, was nachweisbar geschehen sei. Blieben diese Untersuchungen ergebnislos, müsste eine Bischof "den Beschuldigten rehabilitieren. Mitunter geschieht aber das Gegenteil: Von Seiten eines Bistums wird trotzdem daran festgehalten, dass schwere Vergehen vorliegen."

Zelebrationsverbot fraglich

Vorbeugende Maßnahmen müssten im Verhältnis zu einer möglichen Gefährdung stehen, schreibt Hallermann: "Wenn etwa die Gefahr besteht, dass sich ein Priester weiter an Kindern und Jugendlichen vergreift, dann ist es sinnvoll und notwendig, ihm ab sofort jeden Kontakt mit Kindern und Jugendlichen zu verbieten." 

Es sei allerdings fraglich, ob ein Zelebrationsverbot, das gerne und beinahe generell verhängt werde, hier Abhilfe schaffen und Kinder und Jugendliche schützen kann. Solche Maßnahmen würden "in der Regel bereits vor der Prüfung der Anschuldigungen verhängt", so der Kirchenrechtler. Sie dauerten in vielen Fällen "auch Jahre nach Beendigung des Strafprozesses an".


Quelle:
KNA