Bistum Speyer zieht Zwischenbilanz bei Missbrauchsaufarbeitung

"Anerkennung erfahrenen Leids"

Das Bistum Speyer hat eine Zwischenbilanz zu den bisherigen Anstrengungen zur Missbrauchsaufarbeitung gezogen. Aktuellen Hinweisen werde nachgegangen, jeder Verdacht werde der Staatsanwaltschaft mitgeteilt.

Missbrauchsaufarbeitung und Prävention sind große Aufgaben für die Kirche / © Tinnakorn jorruang (shutterstock)
Missbrauchsaufarbeitung und Prävention sind große Aufgaben für die Kirche / © Tinnakorn jorruang ( shutterstock )

Für die Jahre 2010 bis heute haben die Missbrauchsbeauftragten des Bistums Speyer Hinweise auf 28 aktuelle Verdachtsfälle von sexuellem Missbrauch oder Grenzüberschreitungen erhalten. Bei fünf Fällen wurden Priester beschuldigt, bei den anderen ging es um ein Fehlverhalten von Erzieherinnen, Pflegern oder Ehrenamtlichen, wie das Bistum am Montag mitteilte. Diese Zahlen belegten, dass es keine "Fixierung auf Priester als Täter" gebe.

Zuletzt hatte der Mannheimer Psychiater Harald Dreßing eine Studie veröffentlicht, wonach die Quote bei Missbrauchsvorwürfen gegen Priester auch in der jüngsten Zeit nicht gesunken sei. Mehrere Bistümer traten dieser Analyse nun mit Verweis auf eigene Zahlen entgegen.

Jeder Verdacht der Staatsanwaltschaft mitgeteilt

Die Speyerer Missbrauchsbeauftragten Ansgar Schreiner und Dorothea Küppers-Lehmann betonten, eine steigende Zahl von Hinweisen auf Missbrauch oder Grenzverletzung könne auch einer höheren Aufmerksamkeit und Achtsamkeit geschuldet sein. Zugleich sei im Bistum Speyer nicht jeder die jüngste Zeit betreffender Verdachtsfall auch ein bestätigter Missbrauch gewesen.

Jeder Verdacht sei gleichwohl der Staatsanwaltschaft mitgeteilt worden. Seit dem Jahr 2000 seien im Bistum Speyer zwei Täter verurteilt worden, ein Priester und ein Sozialpädagoge.

Bischof Karl-Heinz Wiesemann sagte, er habe sich in den vergangenen Monaten mit zahlreichen von Missbrauch betroffenen Personen getroffen. "Jedes Gespräch ist für mich eine erschütternde Erfahrung." Ihm sei bewusst geworden, dass Missbrauchserlebnisse oft negative Folgen für das gesamte Leben haben. Insofern sei es für die Kirche wichtig, die Perspektive der Opfer einzunehmen, so Wiesemann.

Personalakten von Priestern ausgewertet

Insgesamt ging das Bistum in den vergangenen Jahren 238 Verdachtsfällen auf Missbrauch nach. Die allermeisten Fälle lagen dabei Jahrzehnte zurück, so die Diözese. Im Rahmen einer bundesweiten Studie zu kirchlichem Missbrauch wurden auch im Bistum Speyer Personalakten von Priestern ausgewertet, teilweise zurück bis ins Jahr 1912.

Insgesamt habe das Bistum an Opfer von Missbrauch bis heute 315.000 Euro als "Anerkennung erfahrenen Leids" oder zur Finanzierung von Therapien bezahlt, sagte Schreiner. In kirchenrechtlichen Verfahren seien seit dem Jahr 2010 sechs Priester, die im Verdacht einer sexuellen Grenzverletzung standen, sanktioniert worden, sei es mit dem Verbot, Gottesdienste zu feiern oder einem Annäherungsverbot zu Kindern und Jugendlichen.

"Grundmuster der Täter" erkennen und "Prävention entgegensetzen"

Generalvikar Andreas Sturm kündigte eine eigene sozialwissenschaftliche Aufarbeitung im Bistum Speyer an. Aktuell sei die Diözese auf der Suche nach einem geeigneten Partner. Ziel sei es, "die Grundmuster der Täter zu erkennen und ihnen eine wirksame Prävention entgegensetzen zu können", so Sturm. Der Verwaltungschef des Bistums verwies auch auf die bisherigen Präventionsanstrengungen.

So seien 2.200 Mitarbeiter entsprechend geschult worden. Auch für kirchliche Schulen seien Fachleute ausgebildet worden.


Quelle:
KNA