Kritik an Gesetzentwurf zu Sterbehilfe

Missbrauch Tür und Tor geöffnet

Der Gesetzentwurf von FDP-Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger zur Sterbehilde stößt auf scharfe Kritik. Man könne nur hoffen, dass sich der Entwurf des Bundesjustizministeriums nicht im Kabinett durchsetze, sagte Matthias Kopp, Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz. Auch innerhalb der Union gibt es Ablehnung. Die Ministerin weist die Kritik zurück.

Sterbehilfe: Der Gesetzgeber will Klarheit schaffen / © Alexander Raths
Sterbehilfe: Der Gesetzgeber will Klarheit schaffen / © Alexander Raths

Der Parteienstreit um den Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zum Verbot gewerbsmäßiger Sterbehilfe geht weiter. Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, kritisiert, gewerbsmäßige Sterbehilfe werde zwar verboten. Zugleich werde aber erstmals die straffreie Beteiligung von Ärzten und Pflegern an Selbsttötungen ermöglicht. Das sei ein "Stück aus dem Tollhaus". Das Berufsrecht verbiete es Ärzten, Hilfe zum Suizid zu leisten. Man könne nur hoffen, dass sich der Entwurf des Bundesjustizministeriums nicht im Kabinett durchsetze, sagte Matthias Kopp, Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, den "Stuttgarter Nachrichten".



Altbischof Huber sagte, es müsse klar sein, dass sich Ärzte und Pfleger nicht an aktiver Sterbehilfe beteiligen. Es dürften keine Hintertüren mit Begriffen wie "nahestehend" geöffnet werden. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), erklärte, dem Missbrauch der Neuregelung werde dadurch Tür und Tor geöffnet.



Die Deutsche Hospiz-Stiftung in Dortmund warf der Ministerin vor, es bleibe unklar, was künftig unter Strafe stehen soll und was nicht. Es habe den Anschein, als ob die Ministerin ein ungeliebtes Gesetzgebungsverfahren scheitern lassen wolle.



Nach den Plänen des Justizministeriums sollen Angehörige, Freunde oder nahestehende Personen sich nicht strafbar machen, wenn sie einem Menschen beim Suizid helfen. Dies könnten auch ein Arzt oder eine Pflegekraft sein, der oder die den Sterbewilligen schon lange und gut kennt, heißt es in dem Entwurf. Die Bundesärztekammer lehnt eine Beteiligung von Ärzten an Selbsttötungen strikt ab.



Warnung vor Dammbruch

Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) warnte vor einem "Dammbruch hin zur aktiven Sterbehilfe". In der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstagsausgabe) forderte er, den Gesetzentwurf schnellstens wieder fallen zu lassen: "Wir wollen nicht zulassen, dass menschliches Leben in irgendeiner Art und Weise verfügbar gemacht wird." Den Ärzten sei zu Recht nicht zumutbar, bei Tötung auf Verlangen mitzuwirken.



Singhammer sieht das Gesetz insgesamt als "ungeeignet, gewerbliche Suizidbeihilfe zu vermeiden, weil es viele Umgehungen ermöglicht". Als Beispiel nannte er schwer an Depressionen Erkrankte, die ärztlichen Beistand zur Heilung brauchten und nicht zur Beendigung ihres Lebens.



Der CSU-Sozialpolitiker Norbert Geis lehnte die Pläne aus dem Justizministerium ebenfalls ab. "Damit ist eine rote Linie überschritten", sagte er der "Bild"-Zeitung (Donnerstagsausgabe): "Es darf keine Straffreiheit für Beihilfe zur Tötung geben." Das geplante Gesetz bringe das gesamte Rechtsgefüge durcheinander, in dem das Recht auf Leben zu den höchsten Gütern gehört und für niemanden verfügbar sein dürfe.



Der Obmann der Liberalen im Gesundheitsausschuss, Jens Ackermann, sagte in den "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstagsausgabe): "Wer bestraft wird und wer nicht, das müssen wir noch genauer klären." Der FDP-Politiker regte Nachbesserungen an. Es müsse konkretisiert werden, wer eine dem Suizidwilligen "nahe stehende Person" sei, sagte er. "Aus meiner Sicht kann das nur der Betroffene selbst vorher schriftlich verfügen."



Breite Diskussion nötig

Zur Kritik der Mediziner, es werde eine Rechtsgrundlage für Ärzte als Sterbehelfer geschaffen, sagte Ackermann, die meisten Ärzte hätten wegen der vielen Patienten ohnehin kaum Zeit für den Einzelnen, "so dass sie kaum in die Verlegenheit geraten werden, von ihnen als Person des Vertrauens um die Teilnahme an der Sterbehilfe gebeten zu werden."



Auch die SPD äußerte sich grundsätzlich zustimmend, forderte aber ebenfalls noch Verbesserungen sowie eine breite Diskussion. Es sei vernünftig, die Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Sterbehilfe konkreter zu fassen, sagte Rechts- und Gesundheitsexperte Edgar Franke der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Es dürfe keine gewerbsmäßigen Suizidhelfer geben, die für ihre Tätigkeit ein Honorar oder gar Gehalt bezögen.



Problematisch am Entwurf sei aber die Ausdehnung der Straffreiheit bei Sterbehilfe auf Ärzte, die eine länger andauernde Beziehung zu den Betroffenen hätten. "Diese Differenzierung ist in der Praxis nur schwer möglich, zumal das Berufsrecht der Ärzte die aktive Sterbehilfe bisher eindeutig verbietet", sagte Franke.