Ex-Canisius-Rektor Mertes kritisiert üble Nachrede bei Missbrauchs-Aufarbeitung

"Da stimmt doch etwas nicht"

Mit seiner Aufdeckung von Fällen am Berliner Canisius-Kolleg hatte Klaus Mertes 2010 die bundesweite Missbrauchsdebatte ausgelöst. Nun ehrte ihn die SPD dafür. Bei der Preisverleihung kritisierte der Jesuitenpater erste Reaktionen innerhalb der katholischen Kirche.

 (DR)

Pater Klaus Mertes, früherer Rektor des Berliner Jesuitengymnasiums Canisius-Kolleg, hat am Donnerstagabend den Gustav-Heinemann-Bürgerpreis der SPD erhalten. Die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung solle Mertes Rolle bei der Aufklärung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche würdigen, erklärte die Partei in Berlin. Anfang 2010 hatte der 57-Jährige  mit der Aufdeckung von Fällen am Canisius-Kolleg die bundesweite Missbrauchsdebatte ausgelöst.



In seiner Laudautio würdigte der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel den Jesuitenpater. Er sei ein "leidenschaftlicher Pädagoge, der aus tiefstem Herzen die Freude am christlichen Glauben ausstrahlt". Mertes habe "Verantwortung für Verbrechen durch Mitbrüder seines Ordens, für jahrelanges Schweigen und Vertuschen" übernommen. Sein Handeln habe eine breite Debatte über sexuellen Missbrauch ausgelöst und habe es indirekt auch anderen Opfern ermöglicht zu sprechen.



Kritik an früheren Reaktionen

Mertes kritisierte in seiner Antwort frühere Reaktionen aus der katholischen Kirche bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle am Canisius-Kolleg. Er empfinde großen Schmerz darüber, dass sein Einsatz dafür soviel Gewalt und üble Beschimpfungen im Internet ausgelöst habe, sagte Mertes. "Wie kann man ein Handeln, das selbstverständlich ist, als Nestbeschmutzung bezeichnen. Da stimmt doch etwas nicht", so der Jesuit. Für ihn deuteten die Reaktionen auf eine große Glaubenskrise in der katholischen Kirche hin.



Die SPD sprach Mertes den Preis nach einer Abstimmung im Internet zu. In den Medien war in den vergangenen Tagen die Forderung laut geworden, den Sprecher der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, der bei der Veranstaltung anwesend war, gleichermaßen zu ehren. In seiner Rede ging Gabriel auch auf die Kritik ein. "Den Betroffenen schulden wir alle - und das schließt Politik, Kirche und Gesellschaft ein - Anerkennung, Gerechtigkeit und Ausgleich", so der Politiker. Es müsse weiter dafür gesorgt werden, dass "die Wahrheit lückenlos ans Licht kommt". Auch die frühere Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Christine Bergmann, und der jetzige Missbrauchsbeauftragte Johannes-Wilhelm Rörig waren anwesend.



Außer Mertes waren auch die Datenschutzexpertin und Sprecherin des Chaos Computer Clubs, Constanze Kurz, sowie die Frauenrechtlerin Emel Zeynelabidin nominiert. Auf spd.de beteiligten sich über 5.000 Menschen an der Abstimmung. Die SPD verleiht seit 35 Jahren jährlich den Preis an Persönlichkeiten oder Initiativen, die sich im Sinne des ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann (1899-1976) für Bürgermut und Zivilcourage stark machen.