Missbrauchsprozess gegen früheren Personalchef des Erzbistums Philadelphia

Bis zu 28 Jahre Haft drohen US-Geistlichem

In den USA hat ein Prozess gegen einen früheren Personalverantwortlichen des Erzbistums Philadelphia begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem katholischen Geistlichen William Lynn vor, als Geheimnisträger pädophile Priester über Jahre gedeckt zu haben.

 (DR)

Die Verteidiger des 61-Jährigen argumentierte laut US-Medien zum Prozessauftakt am Montag hingegen, Lynn habe im Gegenteil mit der Anfertigung einer Namensliste beschuldigter Priester gegen den Missbrauch vorzugehen versucht. Bei einem Schuldspruch in allen Anklagepunkten drohen Lynn bis zu 28 Jahre Haft.



Ende Februar hatte Lynn den kurz zuvor verstorbenen Kardinal Anthony Bevilacqua in dem Skandal belastet. Bevilacqua, von 1988 bis 2003 Erzbischof von Philadelphia, habe 1994 ein von Lynn angefertigtes Dokument mit den Namen von 35 der Pädophilie verdächtigen Priestern vernichten lassen. Als Beleg führten seine Rechtsverteidiger eine handschriftliche Notiz des damaligen erzbischöflichen Sekretärs James E. Molloy an, der Vorgesetzter Lynns war. Auch Molloy ist bereits tot.



Lynn war seit 1992 Sekretär für den Diözesanklerus und damit für 800 Priester in Personalfragen zuständig. Laut den Berichten durchforstete er nach Missbrauchsvorwürfen gezielt die Personalakten und übergab seinem Vorgesetzten Molloy 1994 die Namen von belasteten und noch aktiven Geistlichen. Bevilacqua habe nach Kenntnisnahme von der Sache angeordnet, die vier Ausfertigungen der Liste zu schreddern. Molloy habe aber eine Kopie in einem Safe verwahrt und eine Aktennotiz dazu angelegt. Diese Liste sei 2006 wieder aufgefunden worden.



"Tausende Kinder der Gefahr sexuellen Missbrauchs ausgesetzt"

Die Anwälte Lynns erklärten im Februar, aus dem Memorandum Molloys gehe klar hervor, dass Lynn zum Sündenbock gemacht werden solle. Bevilacqua habe bei zehn Befragungen zwischen 2003 und 2004 beteuert, die Ermittlungen zum Kindesmissbrauch in seinem Erzbistum nicht zu behindern. Der Kardinal starb am 31. Januar im Alter von 88 Jahren. Angesichts seiner fortschreitenden Demenz war schon im vergangenen Herbst eine Zeugenaussage auf Video aufgezeichnet worden. Diese könnte auch im aktuellen Prozess verwendet werden.



Ein Untersuchungsausschuss kam im Januar 2011 zu der Auffassung, Lynn habe "Tausende Kinder der Gefahr sexuellen Missbrauchs ausgesetzt", indem er sie der Obhut bekannter Pädophiler anvertraut habe. Die Grand Jury sprach von einem "skrupellosen Verhalten".



Lynn ist den Angaben zufolge das erste Leitungsmitglied einer US-Diözese, das wegen des Umgangs mit dem Missbrauchsskandal gerichtlich belangt wird. Mit Lynn sind drei weitere Priester und ein Lehrer einer katholischen Schule angeklagt. In Folge von Missbrauchsskandalen mussten mittlerweile acht katholische US-Bistümer Insolvenz anmelden. Zuletzt beantragten Milwaukee und Wilmington Gläubigerschutz.