Kardinal Meisner über Missbrauchsfälle, Zölibat und Wende 1989

"Ich hoffe zu Gott, dass die Talsohle erreicht ist"

Der Erzbischof von Köln, Kardinal Joachim Meisner, hat sich schockiert über die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche gezeigt. "Noch im Januar hätte ich mich eher einsperren lassen als anzunehmen, dass das alles wahr ist", sagte der Kardinal im Interview mit Vatikan-Journalist Paul Badde.

 (DR)

"Das war für mich eine bittere Wahrheit. Das war ein furchtbarer Schock." Aber es sei gut, dass diese Untaten endlich ans Licht gekommen seien. "Ich hoffe zu Gott, dass die Talsohle erreicht ist", sagte Meisner in der der "Welt am Sonntag" weiter. "Schlimmer kann es nach meiner Vorstellung nicht mehr werden."

Durch die Missbrauchsfälle sei für Priester ein unbefangener Umgang mit Kindern schwer geworden, erklärte der Kölner Erzbischof. Alle Priester seien unter eine "Wolke des Verdachts" geraten. "Mir haben junge Priester gesagt, wir machen keine Ferienarbeit mehr mit Kindern. Denn wenn uns dabei ein Kind zu nahe kommt - dann heißt es schnell, da ist etwas faul." Andere Priester fragten sich, ob sie ihren Ministranten noch die Hand geben könnten. "Das ist eine wirklich teuflische Situation", sagte Meisner.

Entschieden verteidigte der Erzbischof den Zölibat. "Überzeugend gelebt ist der Zölibat immer noch der schlagendste Gottesbeweis", erklärte Meisner. Der Zölibat sei ein Stachel für die Gesellschaft. "Darum wundert es gar nicht, wie sehr sie dagegen anrennt. Bei einem Zölibatär muss man immer sagen: Entweder ist der verrückt, oder es gibt Gott."