Lütz: Kritik an Kirche wegen Missbrauch teils unaufrichtig

Bollwerk gegen den Kindesmissbrauch?

Im Skandal um sexuellen Missbrauch an Jesuitenschulen hat der Psychiater und Theologe Manfred Lütz die katholische Kirche gegen Vorwürfe verteidigt. Kritikern warf er Unaufrichtigkeit vor. "Die Wahrheit ist, dass alle Institutionen, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, Menschen anziehen, die missbräuchlichen Kontakt mit Minderjährigen suchen".

 (DR)

Das schreibt Lütz in einem Beitrag der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Donnerstag). Der Psychiater lobte das kirchliche Krisenmanagement mit Missbrauchsvorwürfen. So habe etwa der Leiter des Berliner Jesuitengymnasiums Canisius-Kollegs, Pater Klaus Mertes, «engagierte Offenheit der Presse gegenüber» gezeigt.

Die kirchlichen Strukturen seien im Kampf gegen die Vergehen hilfreich, weil sie vernetzter und professioneller funktionierten als etwa Sportvereine. Lütz hob besonders die Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz gegen Kindesmissbrauch aus dem Jahr 2002 hervor. Wer die Kirchenstrukturen, die katholische Sexualmoral und den Zölibat als Grund für die Vergehen anführe, begehe «Missbrauch mit dem Missbrauch, vor allem aber gefährliche Desinformation, die Täter schützt».

Gerade die linke Szene habe Pädophile in der Vergangenheit gehätschelt. Bei den Grünen habe es 1985 einen Antrag auf Entkriminalisierung von Sex mit Kindern gegeben. «Was immer man schließlich von der katholischen Sexualmoral halten mag, sie war jedenfalls auch in Zeiten der Verharmlosung von Pädophilie für jeden, der sich daran hielt, ein Bollwerk gegen den Kindesmissbrauch.» Zudem hätten international führende Experten nachgewiesen, dass es «keinerlei Zusammenhang dieses Phänomens mit dem Zölibat» gebe.

Die Kirche müsse weiter für Transparenz sorgen, betonte Lütz. «Jeder Bischof, der heute noch auf diesem Feld irgendetwas unter den Teppich kehren wollte, müsste von allen guten Geistern verlassen sein.» Zugleich sei die ganze Gesellschaft aufgerufen, die lange Zeit betriebene Verharmlosung sexuellen Kindesmissbrauchs als gemeinsame Schuld anzunehmen.