Historikerin will "Kult" um Pater Kentenich ein Ende setzen

Belastende Dokumente sollen ans Licht

Historikerin Alexandra von Teuffenbach will die Seligsprechung von Schönstatt-Gründer Pater Josef Kentenich verhindern. Archivmaterial soll belegen: Der populäre Geistliche war alles andere als ein vorbildlicher Christ.

Autor/in:
Alexander Pitz
Akten in einem Archiv / © Julia Steinbrecht (KNA)
Akten in einem Archiv / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Eigentlich wollte Kirchenhistorikerin Alexandra von Teuffenbach nie etwas mit der Causa Pater Josef Kentenich (1885-1968) zu tun haben. Eher zufällig stieß sie bei ihrer Forschungsarbeit in den Vatikan-Archiven auf ein merkwürdiges Dokument aus der Amtszeit von Pius XII. (1939-1958). Darin versucht die damalige Leitung der Schönstätter Marienschwestern ihren Gründervater gegen Anschuldigungen aus den eigenen Reihen zu verteidigen: Es gehe nur um "einen verschwindend kleinen Teil" der Mitschwestern - "kaum 1 Prozent".

Von Teuffenbach wird stutzig: ein Prozent? Die betroffenen Frauen werden mit verächtlichem Unterton als «seelisch Kranke» oder «weniger brauchbare Charaktere» beschrieben. Der Theologin forscht nach und findet an verschiedenen Stellen Akten voll belastenden Materials. Einen Teil veröffentlicht sie im Herbst 2020 in dem Buch "Vater darf das!".

Die gesammelten Texte dokumentieren anhand der Aussagen mehrerer Ordensfrauen einen bizarren «Vaterkult» um den bis heute populären Kentenich. "Wir dürfen allein nur kniend mit ihm sprechen", heißt es etwa im Brief der Schwester Georgia Wagner von 1948. Von körperlichen Berührungen ist die Rede, von einer zunehmenden "inneren Not".

Georgia hält fest: "Meine ganze Seele, die ganze Natur schüttelt sich vor diesen Dingen." Ihr größtes Leid aber sei, dass sie ihn "als Mann erlebt habe". Das Schreiben ist nur ein Beispiel von Dutzenden ähnlichen.

Vorwürfe: Manipulation, Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe

Von Teuffenbach ist angesichts solcher Archivfunde schockiert. Sie wirft dem Gründer der internationalen Schönstatt-Bewegung systematische Manipulation, Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe vor. Mit ihrer Forderung nach einem Stopp des seit 1975 laufenden Seligsprechungsverfahrens hat sich die Wissenschaftlerin Feinde gemacht. Die Schönstätter Marienschwestern haben rechtliche Schritte eingeleitet, wollen die Weiterverbreitung von "Vater darf das!" verhindern. Die Dokumentation stelle eine "Vorverurteilung" dar, so das zentrale Argument. Der Ausgang des juristischen Streits ist ungewiss.

Gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) kündigt von Teuffenbach nun an, keinesfalls klein beigeben zu wollen. Es sei ihre Pflicht als Kirchenhistorikerin, wichtige kirchliche Akten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. "Die Seligsprechung von Pater Kentenich ist keine Privatangelegenheit Schönstatts, sondern geht die ganze Kirche an", sagt die 50-Jährige. Um die Gründerfigur werde ein "Kult" mit Statuen, Schriften und Feiern betrieben, obwohl "schwerwiegende Gründe" dagegen sprächen.

Sie will das auch gegen Widerstände ans Licht bringen. Als Erfolg wertet sie, dass ihr Buch seit einigen Tagen unter dem Titel "El padre puede hacerlo" auf Spanisch erhältlich ist. Die Schönstatt-Bewegung ist in Lateinamerika besonders aktiv. Viele Mitglieder aus der Region hätten Interesse an einer Übersetzung bekundet. Die Einwände gegen ihre Publikation hält die Forscherin für haltlos. Schönstatt versuche verzweifelt, die Wahrheit "unter den Teppich zu kehren". Dabei werde das "schwere Leid" der Geschädigten ignoriert.

"Man ging unter Pius XII. mit Missbrauchsopfern besser um als heute"

"Manchmal habe ich den Eindruck, man ging unter Pius XII. mit Missbrauchsopfern besser um als heute", kritisiert die in Rom tätige Expertin. Sie verweist auf die 1951 vom Vatikan beschlossene Verbannung Kentenichs in die USA. Einer verängstigten Schönstatt-Schwester habe Pius XII. schriftlich übermitteln lassen, er wisse Bescheid. Dem Geistlichen sei fortan jeder Kontakt zu den Ordensfrauen untersagt. "Mehr konnte der Papst damals kaum machen", meint von Teuffenbach. Wieso Kentenich 1965, nach dem Tod des Pacelli-Papstes, aus dem Exil nach Schönstatt in Rheinland-Pfalz zurückkehren durfte, ist bislang nicht geklärt.

Eine kirchliche Rehabilitierung, die einige seiner Fürsprecher darin sehen, schließt von Teuffenbach aus. Stattdessen lässt sie durchblicken, dass in den erst kürzlich freigegebenen Archivbeständen aus dem Pius-Pontifikat noch mehr dunkle Geheimnisse schlummern. "Das Material habe ich", so die Historikerin. Ein weiteres Buch über Kentenich sei in Vorbereitung. 

Josef Kentenich

Kentenich stammte aus kleinbäuerlichen Verhältnissen. Seine Mutter gab ihn mit acht Jahren in ein Waisenhaus. 1904 trat Kentenich in die Gemeinschaft der Pallottiner ein; 1910 wurde er zum Priester geweiht.

1914 schloss er mit einigen Schülern in einer Kapelle in Schönstatt ein Bündnis mit Maria, das sogenannte Liebesbündnis, aus dem die heutige Schönstatt-Bewegung hervorging.

Pater Josef Kentenich, Gründer der internationalen Schönstattbewegung in Vallendar / © Wolfgang Radtke (KNA)
Pater Josef Kentenich, Gründer der internationalen Schönstattbewegung in Vallendar / © Wolfgang Radtke ( KNA )
Quelle:
KNA
Mehr zum Thema