Kieler Bestatter will mit "Trauerhafen" anders sein als andere

Trend zu Individualität prägt die Branche

​"Ganzheitlich, zeitgemäß und ökologisch" will der "Trauerhafen" in Kiel laut eigenem Werbeauftritt seine Kunden bestatten. Das frisch gegründete Institut steht beispielhaft für einen Wandel in der Branche.

Autor/in:
Michael Althaus
Eine Frau auf einer Beerdigung / © Kzenon (shutterstock)
Eine Frau auf einer Beerdigung / © Kzenon ( shutterstock )

Mit dem verbreiteten Klischee vom ergrauten Bestatter im schwarzen Anzug hat der Auftritt des "Trauerhafens" nicht viel gemein. Die Geschäftsräume in einer unscheinbaren Seitenstraße nahe dem Kieler Hauptbahnhof sind in hellen Beige- und Blautönen gestrichen. Einige wenige modische Möbelstücke schmücken den Raum. Neben dem großen, mit Rindenmulch dekorierten Schaufenster steht auf einem Sockel eine in Papier eingewickelte Urne. "Das könnten die Lieblingsseiten aus dem Buch des Verstorbenen sein", erklärt Inhaber Jörn Vieweg das Ausstellungsstück. Anfang August hat der 54-Jährige in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt den "Trauerhafen" eröffnet. Er wirbt damit, "ganzheitlich, zeitgemäß und ökologisch" zu bestatten und versucht, sich von klassischen Anbietern abzuheben.

Der Name "Trauerhafen" ist nicht nur wegen der Nähe zur Ostsee gewählt: "Trauernde fühlen sich häufig wie auf stürmischer See", erklärt Vieweg, der hellblaues Hemd, Jeans und Turnschuhe trägt. "Wir möchten ihnen dabei helfen, wieder in ruhigeres Fahrwasser zu kommen." Besonders wichtig sei ihm und seinen drei Mitarbeitern, die Menschen dazu zu motivieren, bei der Bestattung selbst aktiv zu sein.

Mithilfe bei der Waschung

So bietet der Norddeutsche den Hinterbliebenen an, bei der Waschung der Verstorbenen mit dabei zu sein oder - wenn sie es sich zutrauen - sogar mitzuhelfen. Für die Trauerfeiern versucht er mit den Angehörigen individuelle Rituale zu entwickeln. Neben dem Lieblingsbuch kann etwa auch ein besonderes Kleidungsstück, Schmuck oder ein Foto des Verstorbenen als Dekoration für die Urne dienen.

Auch Trauerfeiern im eigenen Garten oder in der Kneipe hat er schon gestaltet. Ebenso gerne holt er - "wenn es der Familie wichtig ist" - die Kirche mit ins Boot. "Die meisten Menschen brauchen keinen teuren Sarg für eine Bestattung", sagt Vieweg. "Wichtiger ist, dass sie beteiligt sind."

"Schlimmes Erlebnis" gab Antrieb für Umschulung"

Der frühere Krankenpfleger und Rettungssanitäter schulte erst mit Ende 30 zum Bestatter um. Ausschlaggebend war der Tod seiner Mutter. Die Beisetzung lief nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte. Dieses "schlimme Erlebnis" war für Vieweg Antrieb, es anders zu machen als andere. Nach Abschluss der Ausbildung eröffnete er sein erstes Bestattungsinstitut in einer Kleinstadt vor den Toren Hamburgs, das er bis heute neben dem "Trauerhafen" weiterbetreibt.

Auch dort verfolgt er eigenen Angaben nach einen "ganzheitlichen" Ansatz, wirbt allerdings nicht so offensiv dafür - aus Angst, dass ein unkonventioneller Auftritt in der eher dörflich und traditionell geprägten Region die Kunden verunsichern könnte. In der Großstadt Kiel dagegen glaubt er, einen Nerv getroffen zu haben.

"Frischer Wind" in der Branche

Vieweg ist nicht der einzige, der versucht, sein Bestattungsinstitut modern auszurichten. In Kiel werben weitere Betriebe damit, "anders" zu sein und "individuelle Wege des Abschieds" zu gehen. In Hamburg proklamiert der Anbieter "Memento Mori" für sich eine "Bestattungs- und Trauerkultur mit neuen Impulsen", das Berliner Institut "Thanatos" preist seine "selbstbestimmten Bestattungen" an, und in Bergisch Gladbach bei Köln bietet das Bestattungshaus Pütz-Roth als Pionier schon seit vielen Jahren in speziellen Abschiedsräumen Angehörigen die Möglichkeit, den Sarg selbst zu bemalen, ihre Verstorbenen anzukleiden, zu tanzen oder ein Gebet sprechen.

"In den letzten Jahren ist durch die Branche ein frischer Wind gegangen", sagt die Sprecherin des Bundesverbands Deutscher Bestatter in Düsseldorf, Elke Herrnberger. Ähnlich wie der "Trauerhafen" seien mittlerweile viele Betriebe um ein "modernes Kommunikationskonzept" bemüht.

Herrnberger spricht von einem Balanceakt: "Wir sind einerseits ein Berufszweig, der sehr auf Seriosität angewiesen ist, weil die Würde der Verstorbenen immer im Vordergrund stehen soll." Andererseits müsse die Branche gesellschaftliche Trends wie Individualisierung, Interkulturalität, Säkularisierung und ein gewandeltes Familienbild aufgreifen. Ebenso spielten Nachhaltigkeit und Ökologie zunehmend eine Rolle.

Ökologie im Blick

Auch der "Trauerhafen" versucht in Sachen Ökologie zu punkten. Bei Erdbestattungen bietet Vieweg standardmäßig naturbelassene Vollholzsärge an. Für Feuerbestattungen und Überführungsfahrten, bei denen sich CO2-Ausstoß kaum vermeiden lässt, verspricht er Ausgleich durch Unterstützung eines Baumpflanzprojekts. Er plant, sein frisch gegründetes Unternehmen als klimaneutrales Bestattungsinstitut zertifizieren lassen.

Die Preise für seine Leistungen listet der Kieler Bestatter auf seiner Homepage auf. Eine Erdbestattung inklusive aller Gespräche kostet als Basispaket 2.970 Euro, eine Feuerbestattung 3.350 Euro. Damit liegt er über den auf der Internetseite des Bestatterverbands angegebenen Durchschnittspreisen von 1.796 Euro für eine Erd- und 2.163 Euro für eine Urnenbestattung, die sich aus den Angaben von mehreren Hundert teilnehmenden Instituten aus dem ganzen Bundesgebiet errechnen. "Statt den Marktvorteil über einen möglichst niedrigen Preis zu suchen, setzen immer mehr unserer Mitglieder auf individuelle Angebote", so Verbandssprecherin Elke Herrnberger.

Länger im Gedächtnis

Die Kunden scheinen mit Viewegs Angebot zufrieden zu sein. Sein schon länger bestehendes Institut in Rellingen erhält auf Google überwiegend positive Bewertungen. Vieweg selbst ist überzeugt, dass die persönlich gestalteten Trauerfeiern den Kunden länger im Gedächtnis bleiben als konventionelle Zeremonien. "Wer einmal selbst seine Mutter gewaschen oder seinen Freund aus der Kapelle getragen hat, der wird das nicht so schnell vergessen."


Jörn Vieweg / © Michael Althaus (KNA)
Jörn Vieweg / © Michael Althaus ( KNA )
Quelle:
KNA