Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat sich angesichts der Ausschreitungen in Frankfurt für eine Studie über Gewalt gegen Polizeibeamte ausgesprochen. "In Deutschland reden ja gerade viele über Polizei-Studien. Wir bräuchten nach meiner Überzeugung eine Studie über Gewalt gegen Polizeibeamte", sagte er dem "Münchner Merkur" (Dienstag). "Wir erleben einen Trend, der davon geprägt ist, Gewalt gegen Polizeibeamte auszuüben – und dafür von umstehenden Passanten noch angefeuert zu werden." Der Respekt vor dem staatlichen Gewaltmonopol scheine immer mehr geschrumpft zu sein.
"Wir brauchen die Rückkehr zu einem Grundkonsens in unserer Gesellschaft: Polizeibeamte handeln im Auftrag der Gemeinschaft. Die schlägt man nicht, bespuckt man nicht, beleidigt man nicht", so Seehofer. Man dürfe Polizeiarbeit kritisieren und müsse sie kontrollieren. "Aber wir erleben ja jetzt auch, wie Menschen einerseits härteste Kritik an der Polizei leisten, aber andererseits auf sie zurückgreifen, wenn sie gebraucht wird."
Das Bundesinnenministerium hatte im Juni eine Studie über verbotene Polizeikontrollen, die zum Beispiel nur aufgrund des Aussehens erfolgen, angekündigt. Seehofer aber nahm die Ankündigung seines Ressorts zurück. Daran gab es Kritik.
"Die Beamten haben mein uneingeschränktes Vertrauen, und ich glaube, ich kann mir nach 50 Jahren in der Politik dieses Urteil erlauben: Unsere Sicherheitsbehörden sind ein Juwel", sagte Seehofer jetzt in dem Interview. "Wir haben in der Polizei kein strukturelles Problem mit Rassismus, davon bin ich überzeugt."
In der Nacht zum Sonntag war es auf dem Frankfurter Opernplatz zu Ausschreitungen gekommen. Nach Polizeiangaben wurden die Einsatzkräfte aus der Menge mit Flaschen angegriffen. Mindestens fünf Beamte seien verletzt, mehrere Polizeifahrzeuge seien beschädigt worden. (dpa / 21.07.2020)
22.07.2020
Laut Bundeskriminalamt nimmt die Gewalt gegen Polizisten im Land zu. Zuletzt konnte man das Ausmaß bei den Krawallen auf dem Frankfurter Opernplatz sehen, als Flaschen flogen und Autos attackiert wurden. Was macht das mit den Beamten?
DOMRADIO.DE: Welche Gedanken kommen Ihnen, wenn Sie von solcher Gewalt, die da von jungen Menschen ausgeht, hören oder sehen?
Sabine Christe-Philippi (Polizeiseelsorgerin in Hessen): Als Polizeiseelsorgerin betrachte ich das mit großer Sorge. Die Polizeibeamtinnen- und Beamten sind natürlich von ihrem Berufsbild her darauf eingestellt, auch in Auseinandersetzungen mit Menschen eintreten zu können. Das erlernen sie in ihrer Ausbildung. In Hessen ist das ein dreijähriges Studium, das sie absolvieren. Sie sind auch mental vorab darauf vorbereitet.
Aber das, was uns jetzt gerade wie am vergangenen Wochenende in Frankfurt da begegnet, ist neu. Es stellt sich schon seit längerer Zeit das besondere Phänomen dar, dass dort, wo so eine aufgeheizte Stimmung entsteht, auch eine Solidarisierung von Menschen stattfindet, die sich mit einem Mal, ohne dass es einen konkreten Anlass dafür gibt, gegen die Polizei richtet.
Wenn wir an den vergangenen Samstag denken, dann war die Situation ja so, dass Polizeibeamtinnen- und Beamte zur Unterstützung und zur Streitschlichtung auf die Menschen zugegangen waren, die sich dort gestritten und geschlagen haben. In dem Moment, in dem sie dann eingriffen, richtete sich die Aufmerksamkeit auf einmal auf die Polizeibeamtinnen- und Beamte. Es begann damit, dass dann Flaschen auf diese Menschen flogen.
DOMRADIO.DE: Sie sind neben dem polizeipsychologischen Dienst für die Beamtinnen und Beamten da, haben ein offenes Ohr. Mit welchen Sorgen und Nöten kommen die dann zu Ihnen?
Christe-Philippi: Es ist so, dass die Frauen und Männer in der Polizei einfach feststellen, dass es stellenweise schwierig wird, für alle Rechte, die wir in unserem demokratischen Staat haben, dort einzutreten.
Wenn Sie in dieser Art und Weise, wie es dort in Frankfurt geschehen ist, mit den flaschenwerfenden Menschen, die dann auch noch jedes Mal grölten und johlten, wenn entweder eine Person oder aber auch ein Fahrzeug der Polizei getroffen worden war, konfrontiert werden, dann ist es schwer, noch trennen zu können, dass es jetzt nicht gegen mich als konkrete Person gerichtet ist, sondern gegen die Polizei als Organisation unseres demokratischen Staates.
DOMRADIO.DE: Ist das auch eine Stimmung, die sich innerhalb der Polizei jetzt verändert, oder kriegen die das ganz gut hin?
Christe-Philippi: Ich habe kürzlich einen Einsatz bei einer Demonstrationslage begleitet und sprach in diesem Zusammenhang mit vielen, vor allen Dingen auch jüngeren Menschen, die in der Bereitschaftspolizei tätig sind und speziell auf diese Einsatzlagen vorbereitet und gerüstet sind.
Es war wirklich für mich sehr beachtlich, zu hören, mit welcher Selbstverständlichkeit diese Frauen und Männer mit diesen Situationen umgehen. Also sie schaffen es, eine persönliche Distanzierung hinzukriegen und zu sagen: Wir stehen hier, weil wir für die Rechte unseres Landes eintreten, wie beispielweise dafür, dass bei einer Demonstrationslage die freie Meinungsäußerung möglich ist.
DOMRADIO.DE: Wie haben sich denn die Sorgen und Nöte, mit denen die Beamten zu ihnen kommen, über die Jahre verändert?
Christe-Philippi: Es verändert sich, denke ich, für die konkrete Person an der Stelle, wenn sie einfach eine belastende Erfahrung macht. Da hörten wir jetzt bei den Einsätzen am Wochenende davon, dass es Schürfwunden und Prellungen gab. Ich sag mal, wenn wir jetzt auf einer äußeren Ebene schauen, dann sind das Verletzungen, die sich sicherlich noch in einem Rahmen bewegen. Es gibt diese Verletzung am Leib.
Aber es gibt natürlich ja auch Verletzungen an Leib und Seele. Und das, was etwa so ein Angriff auf die Person, der Wurf einer Flasche, die Zerstörung eines Polizeiwagens, in dem man sitzt, nach sich zieht, das hat einfach auch nochmal Folgen für die konkrete Person. Nämlich, dass sie sich fragt: Kriege ich diese Bilder, die sich mir eingeprägt haben, auch wieder los?
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat sich angesichts der Ausschreitungen in Frankfurt für eine Studie über Gewalt gegen Polizeibeamte ausgesprochen. "In Deutschland reden ja gerade viele über Polizei-Studien. Wir bräuchten nach meiner Überzeugung eine Studie über Gewalt gegen Polizeibeamte", sagte er dem "Münchner Merkur" (Dienstag). "Wir erleben einen Trend, der davon geprägt ist, Gewalt gegen Polizeibeamte auszuüben – und dafür von umstehenden Passanten noch angefeuert zu werden." Der Respekt vor dem staatlichen Gewaltmonopol scheine immer mehr geschrumpft zu sein.
"Wir brauchen die Rückkehr zu einem Grundkonsens in unserer Gesellschaft: Polizeibeamte handeln im Auftrag der Gemeinschaft. Die schlägt man nicht, bespuckt man nicht, beleidigt man nicht", so Seehofer. Man dürfe Polizeiarbeit kritisieren und müsse sie kontrollieren. "Aber wir erleben ja jetzt auch, wie Menschen einerseits härteste Kritik an der Polizei leisten, aber andererseits auf sie zurückgreifen, wenn sie gebraucht wird."
Das Bundesinnenministerium hatte im Juni eine Studie über verbotene Polizeikontrollen, die zum Beispiel nur aufgrund des Aussehens erfolgen, angekündigt. Seehofer aber nahm die Ankündigung seines Ressorts zurück. Daran gab es Kritik.
"Die Beamten haben mein uneingeschränktes Vertrauen, und ich glaube, ich kann mir nach 50 Jahren in der Politik dieses Urteil erlauben: Unsere Sicherheitsbehörden sind ein Juwel", sagte Seehofer jetzt in dem Interview. "Wir haben in der Polizei kein strukturelles Problem mit Rassismus, davon bin ich überzeugt."
In der Nacht zum Sonntag war es auf dem Frankfurter Opernplatz zu Ausschreitungen gekommen. Nach Polizeiangaben wurden die Einsatzkräfte aus der Menge mit Flaschen angegriffen. Mindestens fünf Beamte seien verletzt, mehrere Polizeifahrzeuge seien beschädigt worden. (dpa / 21.07.2020)