Feuerbestattungen sind nicht nur unter Katholiken umstritten

So normal wie eine Mikrowelle?

Der Vatikan hat Einäscherungen erst 1963 erlaubt und vor kurzem die Regeln präzisiert. Manches bleibt nach katholischer Lehre verboten. Auch Öko-Aktivisten sehen Feuerbestattungen kritisch - ist die Urne doch häufig nicht biologisch abbaubar.

Autor/in:
Paula Konersmann
Biologisch abbaubare Urne / © Jörg Loeffke (KNA)
Biologisch abbaubare Urne / © Jörg Loeffke ( KNA )

Eine Urne auf dem Kaminsims oder Asche, die in der Natur verstreut wird: Diese Bilder sind aus Filmen bekannt. In Deutschland ist es nicht erlaubt, Urnen mit der Asche von Verstorbenen privat zu verwahren. Und auch der Vatikan hat kürzlich klargestellt, dass die Asche nach katholischer Lehre an einem "heiligen Ort" verwahrt werden muss, also einem Friedhof oder einer Kirche.

Über die Hälfte der Verstorbenen in Deutschland wird eingeäschert. Das sei inzwischen "so normal wie eine Mikrowelle", sagt Tobias Pehle vom Verband für Gedenkkultur. Und kritisiert genau das: Sonst machten sich die Menschen viele Gedanken um Nachhaltigkeit - und Kremierung sei eine enorme Umweltbelastung.

"Toxische Stoffe gelangen in die Urnen"

Das betreffe weniger eine einzelne Einäscherung, sondern die enorm steigenden Zahlen: Energie werde im wahrsten Sinne des Wortes "sinnlos verbrannt", giftige Stoffe in Filteranlagen aufgefangen, die später als gefährlicher Sondermüll entsorgt werden müssten. "Diejenigen toxischen Stoffe, die in der Asche verbleiben, gelangen in die Urnen", so der Verband.

Die Kritik ist nicht neu. Der Landschaftsplaner Andreas Morgenroth setzt sich seit langem gegen Urnenwälder ein: Die Asche enthalte Stoffe, mit denen Boden und Grundwasser vergiftet würden. Eine Tagung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) hat dagegen zu Jahresbeginn ergeben, dass von einer solchen Belastung wissenschaftlich betrachtet nicht ausgegangen werden könne. "Es braucht weitere Untersuchungen", resümiert DBU-Experte Franz-Peter Heidenreich.

Der DBU liegt ein Antrag eines Münsteraner Friedhofplaners und des Instituts für Pflanzenernährung und Bodenkunde der Christian-Albrechts Universität zu Kiel zur Untersuchung der Auswirkungen von Urnenascheeinträgen aus der Kremation auf Boden und Grundwasser vor. Das Thema stoße in Fachkreisen auf "unglaubliche Resonanz", sagt Heidenreich. Im öffentlichen Bewusstsein sei es noch kaum angekommen, "denn für viele ist der Tod ein Tabuthema".

Wachsendes Interesse am "grünen" Sterben

Die Verbraucherinitiative Bestattungskultur Aeternitas beobachtet dennoch ein wachsendes Interesse am "grünen" Sterben. Beliebt seien etwa Bio-Urnen, die sich innerhalb weniger Monate zersetzten.

"Das ist durchaus ein Markt", bestätigt der Geschäftsführer der Deutschen Friedhofsgesellschaft, Karl-Heinz Könsgen. Auch ein unlackierter Holzsarg sei ökologisch verträglich. Dagegen seien viele Grabbeigaben unzulässig: Spielzeug oder Sektflaschen, aber auch Laptops seien dort zu finden.

Die Särge selbst seien oft mit Folie ausgelegt, fügt Könsgen hinzu. "Verwesung aber braucht Sauerstoff. Bei zu viel Kunststoff können sogenannte Wachsleichen entstehen." Sauerstoff geht auch dann verloren, wenn die Erde nach einer Beisetzung "verdichtet" wird - sprich: ein Bagger über die Grabstelle fährt, um ein späteres Absacken und ein Umstürzen des Grabsteins zu verhindern.

Schwieriger "Öko-Vergleich" der Bestattungsformen

Einen "Öko-Vergleich" der Bestattungsformen hält Könsgen für schwierig. Der Energieverbrauch relativiere sich je nach Betrieb von Krematoriumsöfen; zudem müsste der Aufwand für Einrichtung und Unterhalt des jeweiligen Friedhofs mitbedacht werden. Gesetzliche Richtlinien schreiben Höchstwerte für den Schadstoffausstoß von Krematorien vor. Auch sollten nicht mehr als 20 Urnen im Wurzelbereich eines einzigen Baumes bestattet werden, ergänzt Heidenreich.

Die Frage, wo ein Mensch seine letzte Ruhe findet, lässt kaum jemanden unbewegt. Die Nachfrage nach Bestattungen in Friedwäldern hat nach Einschätzung von Könsgen "den Höhepunkt erreicht". Zu viele Hinterbliebene stünden vor praktischen Schwierigkeiten wie der, dass die Gräber dort mit eingeschränkter Mobilität oft kaum noch erreichbar seien.

Pehle sieht in Trends zu Individualisierung und Privatisierung des Todes auch einen Spiegel der Zeit. "Wer sich eine Urne auf den Kaminsims stellt, entzieht den Verstorbenen der Gemeinschaft." Dabei müssten auch fernere Hinterbliebene, etwa Bekannte oder Kollegen des Toten, die Möglichkeit zum Abschiednehmen erhalten. "Und als passender Ort dafür", so Pehle, "hat sich der Friedhof nicht umsonst über Jahrhunderte gehalten."


Quelle:
KNA