Krisenseelsorger rüsten sich nach Hochwasser für Großeinsatz

Tränen und Wutanfälle

Nach der Hochwasserkatastrophe in Niederbayern rüsten sich die kirchlichen Krisenseelsorger für einen Großeinsatz. Mehr als 20 Notfallseelsorger aus Passau, Regensburg und Landshut haben sich auf den Weg gemacht.

Nach dem Hochwasser in Simbach am Inn / © Sven Hoppe (dpa)
Nach dem Hochwasser in Simbach am Inn / © Sven Hoppe ( dpa )

Das schilderte der Passauer Pastoralreferent Dieter Schwibach am Donnerstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Außer materieller Not hätten die Überschwemmungen den betroffenen Menschen auch hohe psychische Belastungen gebracht, sagte er.

Nach den Starkregenfällen am Mittwoch waren in mehreren Gemeinden im Rottal westlich von Passau Bäche und kleinere Flüsse in kurzer Zeit stark angeschwollen. Bei dem Hochwasser starben mindestens fünf Menschen, mehrere Personen werden noch vermisst. Zahlreiche Menschen sind obdachlos, die Schäden gehen in die Millionen. In Triftern (Kreis Rottal-Inn) mussten Dutzende Kinder und Jugendliche die Nacht in ihrer Schule verbringen, da diese durch das Hochwasser von der Außenwelt abgeschnitten war. Meteorologen warnen vor weiteren Unwettern im Krisengebiet.

Viele Haushalte noch ohne Strom

Viele Bewohner in den vom Hochwasser betroffenen Gebieten in Niederbayern harren noch immer ohne Strom aus. Wie viele betroffen sind, konnte die Polizei am Donnerstag nicht sagen. Am Mittwochabend seien es noch rund 10 000 Haushalte gewesen, die Situation habe sich über Nacht aber etwas verbessert, sagte Sprecher Michael Emmer.

Die Ortschaften Triftern, Julbach, Kirchdorf am Inn, Postmünster, Reut, Stammham, Zeilarn und Tann sind nach Angaben des Netzbetreibers Bayernwerk immer noch teilweise vom Netz abgeschnitten. Emmer berichtete von Bewohnern, die Stromkabel über mehrere hundert Meter zu ihren Nachbarn gelegt hätten, um auszuhelfen. Probleme mit der Trinkwasserversorgung seien der Polizei hingegen nicht bekannt. Eine private Firma habe in Tanks 25 000 Liter für die betroffene Region zur Verfügung gestellt, sagte Emmer.

Die Frage nach dem Warum

Die bayerischen Malteser schickten den Leiter ihrer Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV), Reiner Fleischmann, in das Gebiet. Er solle ähnlich wie nach dem Deggendorfer Hochwasser 2013 eine entsprechende Struktur aufbauen, um sich um die seelischen Belange der Betroffenen zu kümmern, sagte eine Sprecherin der katholischen Hilfsorganisation. Dabei gehe es um die Bewohner, aber auch um die Hilfskräfte. Mehr als 40 ehrenamtliche Helfer der Malteser seien im Einsatz, um Feuerwehr und THW mit Nahrung und Getränken zu versorgen oder für sie den Sanitätsdienst zu leisten. Außerdem beteiligten sich Rettungswagen an der Evakuierung betroffener Personen.

Schwibach wies darauf hin, dass die kirchlichen Fachkräfte für die psychosoziale Betreuung noch nicht in das akute Krisenmanagement von Staat und Kommunen eingebunden sind. Solange dies nicht der Fall sei, würden die zusammengezogenen Seelsorger über ihre Kontakte zu den Pfarrern vor Ort tätig. "Wir sind auf dem Sprung", fügte er hinzu.

Die Dringlichkeit seelsorglicher Begleitung machte der Pastoralreferent an einem Beispiel deutlich: So habe ein Pfarrer, der in einem Ort selbst als Feuerwehrmann im Einsatz gewesen sei, eine Familie angetroffen, die durch das Hochwasser ihre ganze Existenz verloren habe. Die Menschen seien zwar "technisch gerettet und aus ihrem nicht mehr bewohnbaren Haus in eine Unterkunft gebracht worden". Aber, so fragte Schwibach, "was passiert mit den Tränen, den Wutanfällen, der Frage nach dem Warum?" Gut geschulte Seelsorger könnten die Menschen bei der Bewältigung begleiten. "Wenn wir nicht gerufen werden, wird das aber nicht geschehen."

Hochwasser von 2013 seelisch noch nicht aufgearbeitet

Schwibach sagte, aus den Überschwemmungen vor drei Jahren in Passau und Deggendorf hätten die Krisenseelsorger viel gelernt. Bei vielen Menschen würden durch die aktuellen Ereignisse schlimme Erinnerungen wach. Auch diese Belastung gelte es im Blick zu behalten. "Das Hochwasser von 2013 ist zwar technisch aufgearbeitet, aber seelisch noch lange nicht", sagte der kirchliche Mitarbeiter. Damals seien die Seelsorger vier Wochen im Einsatz gewesen.

Bistumsleitung und Caritas stellten wie im Jahr 2013 Mitarbeiter in den betroffenen Gebieten von der Arbeitszeit frei, so dass sie bei der Bewältigung des Hochwassers helfen können. Der Passauer Bischof Stefan Oster äußerte sich bereits mehrmals auf Facebook zu der Katastrophe. Mit Blick auf die bisher vier Todesopfer schrieb er: "Im Gebet und Solidarität verbunden!" Gleichzeitig erinnerte er an das Jahrhunderthochwasser in seiner Diözese vor fast genau drei Jahren.

Außerdem rief Oster gemeinsam mit der Caritas zu Spenden auf. In Kürze solle auch bei den Sonntagsgottesdiensten in Passau für die Hochwasseropfer gesammelt werden. Es sei wichtig, nun schnell und unbürokratisch zu helfen, sagte Oster. "Dass wir für die Menschen beten und versuchen, ihnen anderweitig beizustehen, ist auch klar." Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick schrieb auf Twitter, er werde für die Flutgeschädigten in Niederbayern "Trost und Kraft erbitten". Die Deutsche-Bahn-Tochter Südostbayernbahn will kostenlose Zugfahrten für Helfer ermöglichen.


Quelle:
KNA , dpa