Beim Erntedankfest geht es auch um Konsumverzicht

"Der meiste Hunger ist von uns Menschen gemacht"

Gott für die Ernte zu danken, gehörte zu allen Zeiten zu den religiösen Grundbedürfnissen. Inzwischen stehen zum Erntedankfest Themen wie der Kampf gegen Hunger und eine ethisch verantwortliche Ernährungsweise im Mittelpunkt.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Schärfer kann man den Kontrast nicht formulieren: Weltweit leiden immer noch 842 Millionen Menschen an Nahrungsmangel und chronischer Unterernährung, stellte die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) kürzlich in ihrem Jahresbericht fest. Um dann gleichzeitig darauf zu verweisen, dass jährlich 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel verschwendet werden, entweder weil sie schon während der Produktion verloren gehen oder weil sie nicht konsumiert und weggeworfen werden.

Laut FAO geht damit ein Drittel der weltweit produzierten Nahrungsmittel jedes Jahr verloren. Der Wert dieser vergeudeten Lebensmittel entspreche dem Bruttoinlandsprodukt der Schweiz, schätzt FAO-Generaldirektor Jose Graziano da Silva. Und Achim Steiner, der Leiter des Umweltprogramms (UNEP), sagte, die Verschwendung zu verringern, habe ein "enormes Potenzial", um den Hunger in der Welt zu bekämpfen.

Kirche: Verzicht auf Fleisch an Freitagen

Ernährungs- und Lebensmittel-Fragen sind zu einem wichtigen öffentlichen Thema geworden. Die Debatte um den "Veggie Day" der Grünen hat den Wahlkampf beeinflusst. Kochshows und Tests von Nahrungsmitteln liegen im Trend. Auch die Kirchen mischen sich immer wieder in die Debatte um Ernährung und Hungerbekämpfung ein - etwa durch den lange fast vergessenen Verzicht auf Fleisch an Freitagen oder durch das jährliche Erntedankfest, das die katholische Kirche an diesem Sonntag feiert. Dabei werden Altäre mit Ähren, Früchten und Blumen oder einem Erntekranz geschmückt. Mittlerweile stellen viele Gemeinden auch den Umweltschutz und die Hungerbekämpfung in den Mittelpunkt des Festes. Predigten verweisen auf das "Vater unser", in dem es heißt: "Unser tägliches Brot gib uns heute." Dabei werden auch die Verschwendung von Nahrungsmitteln und ein übermäßiger Fleischkonsum auf Kosten der Armen angeprangert.

"Der meiste Hunger ist von uns Menschen gemacht", sagt etwa der Hamburger Erzbischof Werner Thissen, der in der Deutschen Bischofskonferenz für das Entwicklungshilfswerk Misereor zuständig ist. Im aktuellen Bericht der FAO werden vor allem die hoch entwickelten Staaten in Asien, China, Südkorea und Japan kritisiert. Dort würden jährlich pro Kopf der Bevölkerung fast 200 Kilogramm Lebensmittel verschwendet, heißt es. Im Fokus stehen aber auch die Fleischindustrie in Nord- und Lateinamerika und die Verschwendung von Obst und Gemüse in europäischen Ländern. Laut Misereor werden auch in Deutschland mehr als 30 Prozent der Nahrungsmittel weggeworfen. «Das sind nicht nur Essensreste, sondern oft original verpackte Lebensmittel», sagt die Abfallexpertin Felicitas Schneider von der Universität Wien, die eine Studie dazu gemacht hat.

Spekulation mit Nahrungsmitteln

Zusammenhänge zwischen dem Hunger der einen und dem Überfluss der anderen sehen Hilfsorganisationen auch durch die Spekulation mit Nahrungsmitteln. Nach dem Zusammenbruch der Finanzmärkte sind Hedgefonds und Groß-Spekulanten auf die Agrarrohstoffbörsen umgestiegen. Sie trieben die Grundnahrungsmittelpreise in astronomische Höhen, argumentieren Hilfsorganisationen wie Misereor oder die Verbraucherschutzorganisation foodwatch. Sie verlangen bei den EU-Verhandlungen zur Finanzmarktregulierung eine strenge Begrenzung von Spekulationen im Nahrungsmittelbereich.

Finanzinstitutionen wie die Deutsche Bank und der Allianz-Konzern bestreiten allerdings, dass es durch die Spekulation zu Preisanstiegen kommt. Sie sehen eher eine Stabilisierung der Märkte.

Als Preistreiber bei Nahrungsmitteln gilt auch der Anbau von Getreide für Biosprit. Da die Landwirte immer mehr Getreide für Biodiesel und Bioethanol anbauten, verknappe sich das Angebot an Grundnahrungsmitteln, kritisieren Initiativen wie Oxfam, die Welthungerhilfe und Misereor. Zudem führe der Anbau von Biokraftstoffen auch zu einem verstärkten Landgrabbing, also dem Landkauf durch finanzkräftige internationale Investoren. Die Hilfswerke drängen deshalb die EU zu einer Reform der Biokraftstoffziele. Das EU-Parlament sprach sich Mitte September für die begrenzte Nutzung von Biokraftstoffen aus. Sie sollen künftig maximal sechs Prozent am Gesamtsprit ausmachen.


Quelle:
KNA