Erleichterung im Erzbistum Freiburg über AKW-Abschaltung

Können die Jodtabletten nun weg?

Im elsässischen Fessenheim, direkt an der Grenze zu Deutschland, geht nun das betriebsälteste AKW Frankreichs vom Netz. Sehr zur Freude des Erzbistums Freiburg. Die Region soll nun zu einem grünen, grenzübergreifenden Vorzeigeprojekt werden. 

Zweiter Reaktor des Kernkraftwerks Fessenheim geht vom Netz / © Philipp von Ditfurth (dpa)
Zweiter Reaktor des Kernkraftwerks Fessenheim geht vom Netz / © Philipp von Ditfurth ( dpa )

DOMRADIO.DE: Ein bedeutsamer Schritt, der da heute Nacht passiert?

Benedikt Schalk (Referatsleiter für Energie und Umwelt im Erzbistum Freiburg): Auf jeden Fall ist das eine große Erleichterung, dass dieses Kraftwerk endlich abgeschaltet wird. Denn das ist ein sehr ungutes Gefühl hier in der Gegend, auch immer wieder gewesen, im Angesicht dieses Kernkraftwerkes zu arbeiten und zu leben. Es ist dann schon manchmal ein bisschen seltsam gewesen.

DOMRADIO.DE: Warum ist das so wichtig? Warum war es ein seltsames Gefühl?

Schalk: Es gab ja Pläne, dass die Personen, die hier im Raum Freiburg leben, dann, wenn eine Katastrophe in Fessenheim passiert, mit Jodtabletten versorgt werden. Das sind manchmal schon etwas seltsame Geschichten, wenn man sagt, was man im Falle eines GAUs tun kann. Aber eigentlich kann man nichts machen, wenn da was passiert. Deswegen ist es jetzt einfach eine Erleichterung, dass das abgeschaltet wird. Und das ist eine gute Geschichte.

DOMRADIO.DE: Welche Bedeutung oder auch welches Signal hat das für Ihr Bistum, dass auch der zweite Reaktor jetzt stillgelegt wird?

Schalk: Wir haben in der Diözese schon länger das Thema "Schöpfung bewahren" aufgegriffen. Vielleicht waren wir damit etwas früher als in anderen Diözesen, weil die Hauptstadt der Diözese, Freiburg, in der Nähe von Fessenheim ist, beziehungsweise auch, weil damals parallel hier in Wyhl ein Kernkraftwerk gebaut werden sollte. Das war damals die Geburtsstunde der Anti-Atomkraft-Bewegung. Das hat, glaube ich, schon ein bisschen darauf gewirkt, Freiburg als Green City zu etablieren und Freiburg als vielleicht ein bisschen grünere Diözese ins Licht zu setzen. Von daher ist es jetzt, wie gesagt, immer noch eine Erleichterung und ein gutes Signal, dass es auch in Frankreich richtig gut vorangeht.

DOMRADIO.DE: Die Region soll als Vorzeigeprojekt gelten. Haben Sie schon weitere grüne Projekte geplant?

Schalk: Das Erzbistum Freiburg hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 klimaneutral zu sein, dazu eine Kommission eingerichtet und auch einen Klimaschutz-Fonds ausgestattet, sodass dort klimafreundliche Maßnahmen gefördert werden können. Aber das Erzbistum Freiburg ist ja relativ groß: Es reicht von Basel bis nach Mannheim, Tauberbischofsheim, kurz vor Würzburg und vom Rhein, in Breisach, da, wo diese Kernkraftwerke gebaut wurden oder gebaut werden sollten, bis zum Bodensee.

Also von daher hat das auch eine relativ große und weite Wirkung. Die Region insgesamt ist ja schon relativ ökologisch eingestellt, die Green City haben wir ja schon erwähnt. Und es geht jetzt tatsächlich auch darum, das Gebiet um Fessenheim herum, also auch im Elsass, fruchtbar zu machen. Denn das AKW war ein großer Arbeitgeber. Von daher wird versucht, da eine Alternative zu diesem Atomkraftwerk zu finden und Leute zu beschäftigen, natürlich dann eher in ökologischen Produktionslinien.

DOMRADIO.DE: Jetzt gab es Einschränkungen durch die Corona-Maßnahmen. Freitag gab es wieder Demos der Fridays-for-Future-Bewegung. Glauben Sie, dass diese Denkanstöße für die Politik auch in Zukunft wichtig sind?

Schalk: Uneingeschränktes Ja! Es braucht einfach Leute, die auf die Straße gehen, die sich einsetzen, die Veränderungen fordern. Nur wenn es das gibt, verändert sich was.

DOMRADIO.DE: Hat die Enzyklika "Laudato si" von Papst Franziskus auch einen Einfluss beziehungsweise vielleicht auf gewisse Art ein "gutes Wort" eingelegt?

Schalk: Die Enzyklika hat sicher eine große Wirkung erzielt, weil sie ja sozusagen auch politisch geschickt zur Klimaschutzkonferenz veröffentlicht wurde und dort sicher etwas bewirkt hat. Und die Enzyklika sagt ja auch, dass man eben nicht nur ökologische Themen, sondern auch soziale Themen betrachten sollte. Das gehört zusammen. Von daher ist es jetzt auch vielleicht eine der Geschichten, dass man sagt: Okay, Fessenheim und die Leute können nicht alleingelassen werden. Wir müssen schauen, dass da auch Alternativen nach der Atomkraft entstehen.

Das Interview führte Katharina Geiger.


Quelle:
DR
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