Nachhaltigkeitskongress geplant: Herzensanliegen des Papstes

Eine Wirtschaft, die "nicht tötet"

Junge Forscher, zwei Nobelpreisträger, Papst Franziskus – im kommenden Jahr soll es einen Nachhaltigkeitskongress in Assisi geben. "Es passt zu Franziskus", sagt Professorin Nothelle-Wildfeuer, Theologin für christliche Gesellschaftslehre.

Illustration Nachhaltigkeit / © khonkangrua (shutterstock)
Illustration Nachhaltigkeit / © khonkangrua ( shutterstock )

DOMRADIO: Hat es Sie überrascht, dass es einen Nachhaltigkeits-Kongress mit dem Papst in Assisi geben soll?

Prof. Ursula Nothelle-Wildfeuer (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg): Das hat mich ehrlich gesagt nicht überrascht, weil das so, wie wir den Papst inzwischen kennengelernt haben, passt, mit den Franziskanern zusammen diesen Kongress zu halten.

DOMRADIO: …mit bis zu 500 jungen Wirtschaftsexperten, die sich um ihre Zukunft Gedanken machen sollen! Bis zu 35 Jahre alt dürfen sie sein, und diese 500 jungen Leute kommen im März bei einem Vortreffen in Vorbereitung auf den eigentlichen dreitägigen Kongress zusammen. Prominente Forscher werden dann dazu eingeladen. Wie viel wird das Treffen wohl bringen? 

Nothelle-Wildfeuer: Ich glaube, dass schon sehr viel dadurch bewirkt wird, dass der Papst diese jungen Menschen einlädt, um deren Zukunft es ja geht. Es geht sicherlich auch um die darauffolgenden Generationen. Auch das ist eine Perspektive, die bei dem Nachhaltigkeitsgedanken immer mit im Blick sein muss. Aber diese jetzt lebende junge Generation mit einzubeziehen – mit ihren Ideen, auch mit ihren Sorgen, mit ihren Überlegungen, mit ihren Nöten – das, glaube ich, ist wichtig.

Sicherlich ist das Miteinander nicht das einzige. Es wird schon gefragt werden, was am Ende dabei herauskommt. Aber diese Partizipation der jungen Generation ist wichtig und auch die Aufnahme ihrer Ideen. Und das Zweite ist, dass beim eigentlichen Prozess höchste Sachkompetenz mit einbezogen ist. Wenn man, wonach es im Moment aussieht, zwei Nobelpreisträger dabeihaben kann – einmal Muhammad Yunus, den Nobelpreisträger für das Mikrofinanzsystem, und Amartya Sen, der durch seine Ökonomie für den Menschen bekannt geworden ist –, dann hat der Papst damit auf der einen Seite tatsächlich hoch kompetente Wirtschaftsexperten und auf der anderen Seite Menschen, die schon mit ihrem Ansatz deutlich machen, dass ihre Sorge auch den ärmsten Menschen überhaupt gilt und nicht einfach einem puren Gewinn.

DOMRADIO: Wie kann so eine alternative Wirtschaft denn aussehen?

Nothelle-Wildfeuer: Papst Franziskus ist ja ganz prominent mit dem Satz "Diese Wirtschaft tötet" geworden. Der stammt aus seiner Schrift "Evangelium Gaudium". Anschließend wurde viel darüber debattiert. Aber diese drei Worte haben eigentlich ganz viel an Überlegungen wach werden lassen, ob das Christentum doch für einen Kommunismus votieren soll. Und auch Kommentare, die zu dieser Meldung des bevorstehenden Wirtschaftskongresses zu lesen waren, gingen in diese Richtung: Will der Papst den Kommunismus wiederbeleben?

Aber ich glaube, das ist nicht seine Absicht, weder den Kommunismus noch überhaupt ein konkret ganz anderes Wirtschaftsmodell. Sondern was er möchte, ist, etwas deutlich zu machen, wie bei der Verleihung des Karlspreis 2016, als er gesagt hat: "Wir müssen nach neuen Wirtschaftsmodellen suchen". Und die Kriterien für diese Wirtschaftsmodelle nennt er dann mit den Stichworten "inklusiv" und "gerecht".

Es geht ihm also darum, dass ein Wirtschaftssystem nicht nur einigen wenigen dient, sondern möglichst allen und der Gesamtgesellschaft. Dass das ein Wirtschaftssystem ist, das vorrangig in Menschen, in ihre Qualifizierung und Qualifikation und in Arbeitsplätze investiert und nicht nur darauf schaut, wie der Gewinn maximiert werden kann.

DOMRADIO: Einer der Vorwürfe lautet jetzt, ob es nicht viele andere Themen gebe, um die sich der Vatikan oder die katholische Kirche kümmern sollte, als um Wirtschaft. Denken Sie, das sollte der Papst anderen überlassen?

Nothelle-Wildfeuer: Das denke ich gar nicht. Dann könnte ich ja auch mein Fach beenden! Aber darum geht es natürlich nicht. Sondern ich glaube tatsächlich, dass der christliche Glaube nicht nur eine reine Frömmigkeitsübung ist, sondern dass die Botschaft von dem liebenden Gott, der das Heil und auch das Wohl der Menschen will, nicht einfach in den Kirchenmauern bleiben darf. Dass er eben nicht nur für wenige ausgewählte Bereiche gilt – etwa den privaten Bereich des menschlichen Lebens –, sondern entweder für das ganze Leben, für alle Dimensionen menschlichen Lebens oder eben gar nicht.

Und wir haben ja eine relativ lange Tradition einer katholischen Soziallehre, die schon 1891 das Anliegen hatte, in verschiedene Bereiche wie die Wirtschaft oder Politik hineinzuschauen. Sie soll aber nicht Politiker oder Wirtschaftswissenschaftler oder Wirtschaftler ersetzen, sondern gucken, dass der christliche Glaube darin seine Durchsetzungskraft entfalten kann. Gemeint ist der Blick auf die Würde des Menschen, auf die Verantwortung füreinander, auf die Gottebenbildlichkeit. Nächstenliebe in unserer modernen und komplexen Gesellschaft ist eben nicht mehr nur face to face, sondern hat auch viel mit globalen Strukturen und Institutionen zu tun. Und da, glaube ich, ist der Bereich der Wirtschaft ganz zentral, weil davon die Menschen ja sehr massiv in ihrer Existenz tangiert sind.

Das Interview führte Katharina Geiger.


Ursula Nothelle-Wildfeuer, Professorin für Christliche Gesellschaftslehre in Freiburg / © N.N. (privat)
Ursula Nothelle-Wildfeuer, Professorin für Christliche Gesellschaftslehre in Freiburg / © N.N. ( privat )
Quelle:
DR