Afrika nimmt Kampf gegen Plastik auf

Müll-Pioniere für wachsendes Bewusstsein am Kontinent

Afrikas Mittelschicht wächst. Was sich positiv anhört, schafft aber gleichzeitig neue Probleme für die Umwelt. Gefährliche Begleiterscheinung des Aufschwungs: Tonnen an Plastikmüll. Doch es gibt Hoffnung.

Autor/in:
Markus Schönherr
Eine Plastikflasche liegt am Strand  / © Wayne Parry (dpa)
Eine Plastikflasche liegt am Strand / © Wayne Parry ( dpa )

Anflug auf Daressalam: Wer seit Samstag in der tansanischen Metropole landet, muss sich auf zusätzliche Kontrollen gefasst machen. Gesucht wird neben Drogen und Schmuggelware ab sofort auch - nach Plastiktüten. Besucher des Nachbarlands Ruanda kennen das Prozedere; in dem ostafrikanischen Staat sind Kunststoffbeutel schon seit mehr als zehn Jahren verboten. Der Bann ist Teil von Afrikas Kampf gegen Plastikmüll, den immer mehr Staaten des Kontinents aufnehmen.

Ein Drittel des deutschen Plastikverbrauchs

Südafrika hat die zweitstärkste Wirtschaft am Kontinent. Trotzdem liegt der Plastikverbrauch seiner Bewohner mit 40 Kilo pro Jahr nur bei rund einem Drittel des deutschen. Klingt nach ausgeprägtem Umweltbewusstsein. Tatsächlich aber landet ein Großteil des Kunststoffmülls in der Natur, wo er Fischen, Vögeln, Walen und Schildkröten zum Verhängnis wird - und als Mikroplastik in die Nahrungskette gelangt.

Gerade einmal 16 Prozent des Plastikmülls werden in Südafrika recycelt; in Deutschland sind es etwa 50 Prozent. Damit ist die Kaprepublik am Kontinent nicht allein, erklärt Nhlanhla Sibisi, Klimaaktivist bei Greenpeace in Johannesburg. "Das Bewusstsein für Müllmanagement ist in Afrika kleiner als in Europa oder den USA. Es beginnt an der Quelle, also den Haushalten, wo kaum jemand recycelt." Die Folge ist ein stinkendes Mosaik aus Plastik, Metall und Biomüll - Müllberge am Rande vieler Großstädte, die Bewohner und Umwelt belasten.

Es drohen bis zu vier Jahre Haft 

Doch es gibt Hoffnung. "Afrika hat in den letzten Jahren aktiv daran gearbeitet, die Produktion und den Verbrauch von Einwegplastik einzuschränken. Das zeigt sich etwa daran, dass 34 Staaten Plastiktüten gesetzlich regulierten oder komplett verbannten", sagt Lorren de Kock, Expertin für Kunststoffverwertung bei WWF in Kapstadt. Ruanda, Südsudan, Burundi und seit 1. Juni auch Tansania - in Ostafrika scheint sich eine Allianz gegen Plastiktüten gebildet zu haben. Am rigorosesten geht Kenia vor: Wer hier Plastiktüten herstellt, verkauft oder auch nur damit erwischt wird, dem drohen bis zu vier Jahre Gefängnis oder eine Höchststrafe von 40.000 US-Dollar.

Das verdanken die Kenianer diesem Mann: Der Fotograf James Wakibia wollte nicht länger mitansehen, wie seine Heimatstadt Nakuru mit Plastik zugemüllt wird. 2015 startete er deshalb eine Kampagne in Sozialen Medien. Die UNO lobte seinen Aktivismus. "Dieser Plastiktütenbann ist der Weg der Zukunft", ist der 36-Jährige überzeugt. Doch nicht jeder teilt Wakibias Meinung. Kritiker verweisen auf die 60.000 Jobs, die in Kenias Tütenproduktion verloren gingen. Statt Plastik zu verbannen, hätte die Regierung in Nairobi ein effektiveres Recyclingsystem schaffen sollen, meinen sie.

Entstehung neuer Arbeitsplätze

Was trotz Tüten-Verbot bleibt, ist das Problem von Einwegplastik: auch Getränkeflaschen, Strohhalme und Plastikbesteck belasten Afrikas Küsten und die Weltmeere. Hier kommen Plastikpioniere wie Sam und Dom Moleta ins Spiel. Das junge Paar eröffnete im Frühjahr Johannesburgs ersten plastikfreien Supermarkt, nachdem sie selbst einen Monat komplett auf Plastik verzichtet hatten. Ihre Kunden sind aufgerufen, Becher und Glasflaschen von Zuhause mitzubringen, um die Waren im Laden selbst abzufüllen.

Am Kap hat ein Umdenken begonnen. Selbst die schicken Strandcafes setzen nun vermehrt auf Strohhalme aus Wachspapier und Supermärkte auf Recycling-Tüten. WWF-Expertin de Kock warnt dennoch vor einer tickenden Zeitbombe: "Afrika ist ein Entwicklungskontinent mit einer wachsenden Mittelklasse. Das führt dazu, dass immer mehr abgepackte Produkte in Supermärkten gekauft werden." Von den Regierungen wünscht sie sich nicht ausschließlich Verbote. Die hätten, etwa in Kenia, zu "Schwarzmärkten" für Plastiktüten geführt. Stattdessen brauche man raffinierte Lösungen.

Einen Anfang macht die Kleinstadt Jeffreys Bay. In Südafrikas inoffizieller Surfer-Hauptstadt entsteht derzeit Afrikas erste Plastikstraße. Für einen Straßenkilometer werden fast zwei Millionen Plastiktüten eingeschmolzen, die teilweise den Teer ersetzen. Vom südafrikanischen "Business Report" heißt es dazu: "Der Ansatz könnte das Ende von Schlaglöchern bedeuten, Jobs schaffen und dabei helfen, den Planeten zu retten."


Quelle:
KNA