Eine Tagung in Rom beleuchtet Ethik und Umweltschutz

Verstrickt in Umweltsünden

Zu einem Kongress über die Enzyklika "Laudato si" hatten die Vatikanbotschaften Deutschlands, Georgiens und der Niederlande geladen. Frage war, was der Umwelt mehr hilft: moralische Appelle oder ökonomische Anreize.

Autor/in:
Benjamin Leven
 (DR)

Vor der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom parken die Staatskarossen. Einige Fahrer stehen herum und rauchen, andere sitzen im Wagen und lassen den Motor laufen. Jeder hat gerade einen hochrangigen Diplomaten oder einen Kurienvertreter durch die chronisch verstopfte Innenstadt zur römischen Jesuitenuniversität gebracht. Denn es gibt Wichtiges zu besprechen: die "radikale ökologische Umkehr nach "Laudato si".

Zahlreiche Teilnehmer sind für die zweitägige Konferenz aus den Vereinigten Staaten und vielen anderen Ländern angereist - nicht wenige von ihnen wohl mit dem Flugzeug. Die Zahl der Politiker, Kirchenvertreter und Wissenschaftler, die mit dem Fahrrad durch den chaotischen römischen Verkehr kamen, dürfte überschaubar sein.

"Ökologische Sünden"

Zur Eröffnung spricht Kurienkardinal Peter Turkson über Sünde und Umkehr. Der ghanaische Geistliche ist Leiter der von Franziskus neu geschaffenen Behörde für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen. Doch Turkson hält keine Fastenpredigt. Er spricht, wie Franziskus 2015 in seiner Enzyklika "Laudato si", von "ökologischen Sünden".

Biologische Vielfalt zerstören, das Wasser und die Atmosphäre verschmutzen - all das seien Sünden. Davon müsse man sich abwenden, gefordert sei eine "radikale ökologische Umkehr". Weniger religiös ausgedrückt: Es braucht eine grundsätzliche Veränderung des Lebensstils. Dies gelte, so der Kardinal, für jeden Einzelnen, aber auch für die Gemeinschaft.

Wenn das so ist, dann sind diejenigen, die gerade in der ersten Reihe und auf dem Podium sitzen, Sünder. Denn sie haben sich an diesem Morgen in einem großen Auto mit Verbrennungsmotor herfahren lassen.

Taten folgen lassen

"Moralische Appelle allein sind nicht sinnvoll", sagt der Wirtschaftswissenschaftler Ottmar Edenhofer vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung. Sein Vortragsthema ist, was wirtschaftspolitisch für den Klimaschutz getan werden kann. Wer nur an die Moral appelliere, bringe die Menschen in eine Situation, "in der sie sich bei ihren Alltagstätigkeiten - ob Heizen oder Autofahren - ständig gegen das System stellen müssen".

In Rom gibt es so gut wie keine Fahrradwege, die Großstadt mit drei Millionen Einwohnern hat nur drei U-Bahn-Linien, das Bussystem ist marode und unzuverlässig. So fahren die meisten Menschen mit dem Auto zur Arbeit oder zum Einkaufen - trotz überlasteter Straßen.

Für die Änderung des Lebensstils braucht es ökonomische Anreize, ist Edenhofer überzeugt. Und dafür müsse die Politik sorgen. Bezogen auf den Klimaschutz heiße das: Steuern auf das Klimagas, damit der Preis von Kohle und Öl den tatsächlichen Kosten entspricht. Dann steige auch die Motivation, auf erneuerbare Energien umzusteigen.

Auf der Konferenz sind jedoch auch andere Stimmen zu hören. Ökonomische Anreize würden bloß "extrinsische Motivationen" zur Änderung des Verhaltens schaffen, viel wichtiger sei aber die "intrinsische", also innere Motivation.

Verweise auf "Laudato si"

Viele Redner verweisen auf "Laudato si", wo vom "intrinsischen Wert aller Geschöpfe" die Rede sei, den es zu entdecken gelte. Für Ottmar Edenhofer ist das kein Widerspruch. Alle Erfahrungen zeigten, dass ökonomische Anreize "die moralischen Motivationen erst freisetzen". Sprich: Menschen sind dann bereit, ökologisch gut zu handeln, wenn es ihnen ökonomisch nicht schadet.

Bei der Konferenz, die von der Theologischen Fakultät der Gregoriana gemeinsam mit den Botschaften Deutschlands, Georgiens und der Niederlande beim Heiligen Stuhl ausgerichtet wurde, geht es jedoch um viel mehr als nur den Klimaschutz. Entsprechend der "ganzheitlichen" Perspektive von "Laudato si" diskutiert man über Migration, die Rolle indigener Völker für den Erhalt von Biodiversität, über "ökologische Spiritualität" sowie über subtile theologische und ethische Fragen - etwa darüber, ob es mit dem "intrinsischen Wert" eines Geschöpfes vereinbart werden kann, es zu essen.

 

Kardinal Peter Turkson (KNA)
Kardinal Peter Turkson / ( KNA )

 

Mai 2015 Deutsche Ausgabe der Umweltenzyklika "Laudato si" / © Cristian Gennari (KNA)
Mai 2015 Deutsche Ausgabe der Umweltenzyklika "Laudato si" / © Cristian Gennari ( KNA )
Quelle:
KNA