Soziologe gibt Rezepte für die Zukunft der Kirche

Kirche muss stärker auf soziale Gruppen zugehen

Die Kirche muss aus Sicht des Religionssoziologen Michael Ebertz stärker auf das Individuum und auf unterschiedliche soziale Gruppen zugehen. Sie müsse sich von alten Mustern verabschieden.

Wie sieht die Kirche der Zukunft aus? / © Friso Gentsch (dpa)
Wie sieht die Kirche der Zukunft aus? / © Friso Gentsch ( dpa )

Sie müsse sich davon verabschieden, "quasi staatsanalog zu sein und mit ihren Pfarreien das ganze Land abzudecken", sagte Ebertz im Interview des Portals katholisch.de (Donnerstag). "Sie müsste Menschen unterschiedlicher Milieus 'spirituelle Tankstellen' bieten. Orte, an denen sie 'geistliche Lebensmittel' bekommen, etwas für ihr Leben." Um an solche Orte zu gehen, nähmen Menschen durchaus entsprechende Entfernungen in Kauf.

Kirche als "mobile Einsatztruppe"

Kirche müsse sich zudem stärker "auf das Individuum beziehen mit seinen Beziehungen, Sorgen und Nöten", forderte Ebertz. "Wir wissen, dass im Alltag vieler Menschen Religion keine Rolle spielt. Sie bewegen sich in religionsfreien Zonen. Bei Lebensbrüchen aber wie einer Trennung, da wollen sie Trost und Orientierung, da brauchen sie Erlösung. An wichtigen Lebensübergängen wie Hochzeiten wünschen sie sich eine Symbolisierung dieses für sie so wichtigen Ereignisses - also zum Beispiel eine kirchliche Trauung." Kirche könne eine "mobile Einsatztruppe" werden und nicht statisch bleiben.

Ebertz sagte, er könne sich künftig "geistliche Milieu-Hotspots" vorstellen, die nicht mehr nach dem "Territorialprinzip" ausgerichtet seien. Etwa "für die Traditionellen mit Heiligen-Verehrung, Prozessionen und Rosenkranz, bitte aber auch ein Hotspot für die Sozialökologischen, die noch an eine bessere Gesellschaft der Zukunft glauben und sonst zu einer neuartigen 'Naturreligion' abwandern".

Wenn Kirche unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen in ihren Bedürfnissen anspreche, könnte sie vielleicht wieder wachsen. Er sei aber skeptisch, ob das gelinge.

Digitale Gottesdienste gelungen

Mit Blick auf die Corona-Pandemie sagte der Religionssoziologe, dass die digitalen Gottesdienste zum Teil durchaus gelungen seien. "Die Reichweite der Gottesdienstgemeinde hat sich manchenorts vergrößert, wenn auch nicht alle Kirchenmitglieder ans Internet angeschlossen sind." Eine Chance des Digitalen sei die Reichweite. Ihn wundere es jedoch, dass Präsenz-Gottesdienste nach der Corona-Pandemie als "das Allheilmittel" gälten. Stattdessen könne die Kirche über digitale Formate die Milieus ansprechen, die ohnehin ausschließlich digital unterwegs seien. "Und Gottesdienste sind da nur ein Beispiel."


Dr. Michael Ebertz / © kirchenzeitung.at
Dr. Michael Ebertz / © kirchenzeitung.at
Quelle:
KNA
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