Bischof Genn warnt vor Lagerbildung im Dialogprozess

Emotionale Debatte in Hannover

Das Dialogforum über die Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland ist am Samstag mit teilweise kontroversen und emotionalen Redebeiträgen in Hannover fortgesetzt worden. Dabei wurden vor allem ein veränderter Umgang der Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen sowie eine neue Debatte über die kirchliche Sexualmoral eingefordert. Im domradio.de-Interview warnt Bischof Felix Genn vor einem Zerbrechen in Lager.

Bischof Felix Genn im domradio.de-Interview (DR)
Bischof Felix Genn im domradio.de-Interview / ( DR )

domradio.de: Wie haben Sie den gestrigen Tag erlebt und auch die Diskussion heute Morgen?

Bischof Genn: In der Gruppe, in der ich gearbeitet habe, ging es ausschließlich um die Frage,  wie kann Kirche in ihrem diakonischen Auftrag in der Gesellschaft Präsenz zeigen. Das fand ich sehr ernsthaft, kontrovers zum Teil, aber auch um sich bemühend, diesen Platz der Kirche in der Gesellschaft zu gestalten. Heute Morgen ging es mir eigentlich zu viel um die innerkirchlichen Themen der Geschieden- Wiederverheirateten, der Rolle der Frau. Das ist alles zu besprechen und zu diskutieren, aber der Akzent auf einem diakonischen Handel der Kirche, sowohl in unserem Land wie auch weltkirchlich vernetzt, war mir etwas zu wenig.



domradio.de: Es wurde heute Morgen auch recht leidenschaftlich diskutiert, zum Teil auch recht laut und etwas gestritten unter den Teilnehmern. Wie fruchtbar ist diese Diskussion?

Bischof Genn: Das kann ich nicht sagen. Es zeigt natürlich, die Kirche ist so plural wie sie sich auch heute Morgen darstellt und wir müssen sehen, wie wir damit so gut miteinander umgehen, dass wir uns jetzt nicht in Parteiungen zerbrechen und die Einheit aufheben. Töne, in denen auf die Bischöfe Druck gemacht wird bzw. Verdächtigungen ausgesprochen werden, halte ich absolut für nicht hilfreich.



domradio.de: Sie haben sich auch schon im Vorhinein, bevor es nach Hannover ging, etwas skeptisch geäußert über das, was hier möglicherweise passiert. Was sind jetzt Ihre Erwartungen an Ergebnisse?

Bischof Genn: Das kann ich noch nicht sagen, aber ich habe eine Hoffnung, dass da gut mitgearbeitet wird. Es gibt ja auch schon von der Bischofskonferenz bearbeitete Themen. Wir sind an der Frage des Arbeitsrechtes, wir sprechen über eine verantwortungsvolle Pastoral für wiederverheiratete Menschen, wir beschäftigen uns in der kommenden Frühjahrsvollversammlung mit der Frage der Frau in der Kirche, insofern sind wir an den Themen dran. Ich habe mich skeptisch geäußert, weil ich es einfach für ungeistlich finde, auf eine bestimmte Gruppe Druck auszuüben bzw. ihr zu unterstellen, sie würde sich von außen ferngesteuert wissen. Das bin ich nicht. Ich bin nur als Bischof verantwortlich, die Einheit mit der ganzen Kirche zu wahren und bin auch überzeugt davon, dass das allein der Kirche in Deutschland auch dient und nicht ein Riss oder eine Spaltung oder ein eigenkirchlicher  Weg in unserem Land. Das halte ich nicht für angemessen.



domradio.de: Haben Sie denn das Gefühl, es kommt hier zu einer Art von deutschem Sonderweg?

Bischof Genn: Nein, da bin ich fest von überzeugt, weil wir uns da als Bischöfe doch sehr, sehr einig sind.



Das Interview führte Matthias Friebe (domradio.de)



Hintergrund

Bei der zweiten Tagung innerhalb des Dialogprozesses diskutieren seit Freitag mehr als 300 Delegierte, darunter über 30 Bischöfe sowie Laienvertreter und Ordensleute. Das zweitägige Treffen steht unter dem Leitwort "Die Zivilisation der Liebe - unsere Verantwortung in der freien Gesellschaft".



Teilnehmer lobten die offene Atmosphäre der Veranstaltung, die am Nachmittag mit einem Gottesdienst zu Ende geht. Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck nannte das Dialogtreffen "stilbildend für den künftigen Umgang verschiedener Gruppierungen innerhalb der Kirche".

Es sei eine Grundentscheidung der Kirche, einen partnerschaftlichen Dialog zu führen, sagte die Caritasdirektorin für das Erzbistum Berlin, Ulrike Kostka. "Dahinter können wir nicht mehr zurück." Der Bundestagsabgeordnete Josef Winkler (Grüne) lobte ebenfalls die Gesprächskultur. "Es gibt keine Bischofskonferenz der Welt, die sich auf solch einen Dialog auf Augenhöhe einlässt."



Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke zeigte sich ebenfalls zufrieden mit der Entwicklung des innerkirchlichen Gesprächsprozesses. Dass sich eine Gesprächskultur in der Kirche ausbreitet, sei eine wichtige Erfahrung nach den Verhärtungen und Verbitterungen der letzten Jahre. "Wir sehen, wir können nicht alles lösen, aber wir haben die Dinge vor Augen und suchen vernünftige, ordentliche Wege."



Der Bonner Pastoraltheologe Lothar Roos hingegen kritisierte die Oberflächlichkeit der Debatte. Die Veranstaltung sei zwar sehr interessant, weil sich das ganze Spektrum der Kirche zeige. Doch zu schnell werde bei den Bischöfen und der Kirche die Schuld gesucht.

"Es fehlt eine genaue Analyse gesellschaftlicher Veränderungen und eine Reflexion über das Verhalten jedes Einzelnen." Roos vertrat auf der Tagung auf Einladung der Bischofskonferenz das konservative "Forum deutscher Katholiken".



Der Trierer Bischof Stephan Ackermann kündigte vor Ort an, dass sich eine Arbeitsgruppe der Bischofskonferenz mit dem Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen beschäftigen werde. Konkret soll das kirchliche Arbeitsrecht entsprechend weiterentwickelt werden, "um der Lebenssituation der Menschen gerecht zu werden".



Mehrere Caritasdirektoren hatten in Hannover vor allem auf Probleme mit der katholischen Grundordnung verwiesen. Dabei geht es unter anderem darum, dass wiederverheirateten Geschiedenen das Arbeitsverhältnis in der Kirche aufgrund ihrer Lebenssituation gekündigt werden kann. "Wir brauchen hier Öffnungsklauseln", sagte der Hildesheimer Caritaschef Hans-Jürgen Marcus. Der Osnabrücker Caritasdirektor Gerrit Schulte verwies darauf, wie sehr das Problem in der Breite der Kirche angekommen sei. Es handele sich um eine "Notsituation", in der gehandelt werden müsse.



Auch Bischöfe drängen bei diesem Thema auf Veränderungen. "Bei wiederverheirateten Geschiedenen ist mir auch wichtig, dass wir unsere Regeln im Arbeitsrecht anpassen und nicht so brutal reagieren", sagte der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke. "In diesem Punkt muss und kann etwas geschehen, da sind wir auf einem richtigen Weg." Zu Beginn der Tagung hatte bereits der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode eine "Pastoral der Nähe" eingefordert. Konkret müsse sich der Umgang der Kirche mit gescheiterten Beziehungen verändern. Dabei gehe es um den Sakramentenempfang, aber auch um das Arbeitsrecht.