Kardinal Woelki seit fünf Jahren Erzbischof von Köln

"In manchem bin ich stur"

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki ist ein Vorkämpfer, was das Engagement der Kirche für Flüchtlinge und den Einsatz gegen Populismus angeht. An diesem Freitag ist er nun seit fünf Jahren Erzbischof von Köln.

Kardinal Woelki wird am 20.9.2014 in Köln begrüßt (dpa)
Kardinal Woelki wird am 20.9.2014 in Köln begrüßt / ( dpa )

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Nach seinem Zwischenspiel als Berliner Erzbischof war Kardinal Woelki 2014 wieder im Rheinland angekommen. In "seiner" Stadt Köln, wo er nicht nur geboren und aufgewachsen ist, sondern auch schon als Weihbischof vor seiner Berufung in die Hauptstadt wirkte. Vor fünf Jahren, am 20. September 2014, wurde er als Erzbischof von Köln in sein Amt eingeführt.

Von Beginn an fällt besonders sein entschiedener Einsatz für Flüchtlinge auf - und dabei spricht er nicht nur Klartext, sondern setzt auch deutliche Zeichen. Bereits im ersten Amtsjahr gründet er die "Aktion neue Nachbarn", rund 40 Millionen Euro sind seither in Integrationsprojekte geflossen, tausende Ehrenamtliche im Einsatz, zahllose Projekte am Laufen. 2015 wählt er publikumswirksam das Aushängeschild des Kölner Doms, den "dicken Pitter", um mit der 23.000-Glockenschläge-Aktion an jeden einzelnen im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlinge zu erinnern.

Und an Fronleichnam 2016 feiert Woelki die Messe an einem zum Altar umgebauten Flüchtlingsboot, das nun im Haus der Geschichte in Bonn als Protestzeichen dient. Nicht nur für US-amerikanische Zeitungen steht er da wie Kanzlerin Merkel für das freundliche Gesicht Deutschlands in der Welt.

AfD keine Alternative für Deutschland

Die europäische Flüchtlingspolitik geißelt Woelki bis heute: "Es ist und bleibt eine Schande für Europa! In der gegenwärtigen politischen Lage treten allzu oft symbolische Taten an die Stelle von substanziellen Debatten." Die Erfolge der populistischen Parteien in Europa sieht er mit großer Sorge und wird nicht müde, seiner Überzeugung Ausdruck zu geben, dass die AfD keine Alternative für Deutschland sei. Das schreibt er den Regierenden auch ins Stammbuch: "Unsere führenden Politiker wollen uns in den Dornröschenschlaf zurück­versetzen oder sind als Sandmännchen unterwegs."

Auch das Thema Bildung ist Woelki ein besonders Anliegen. Ein neuer Bildungscampus des Erzbistums in Köln-Kalk soll junge Menschen ab kommendem Jahr vom Kindergarten bis in den Beruf begleiten und verschiedene Abschlüsse bis hin zum Abitur ermöglichen. Gute Bildung ist in seinen Augen auch eine Lösungsmöglichkeit im Kampf gegen die Armut in Schwellenländern, wie er immer wieder betont: "Erst eine gute Ausbildung ist der Schlüssel zu einem glücklichen Leben."

Betroffenenbeirat mit Opfern sexualisierter Gewalt

Seit seinem Amtsantritt forciert Woelki auch die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals der katholischen Kirche. So richtet er einen Betroffenenbeirat mit Opfern sexualisierter Gewalt ein. Zudem untersucht eine Anwaltskanzlei die Akten zu allen bekannten Missbrauchsfällen. Dabei soll auch die Rolle damaliger und heutiger Verantwortlicher geklärt werden. Ergebnisse werden im kommenden Jahr erwartet.

Mit einer ungewöhnlichen Geste erinnert er 2018 in Fulda seine Amtsbrüder an die Opfer des sexuellen Missbrauchs durch Geistliche und ruft die Kirche zu Umkehr, Reue und Buße auf. "Damit wir nicht immer nur reden, werde ich die restlichen fünf Minuten meiner Predigt schweigen".

Auf DOMRADIO.DE äußert sich der Erzbischof jeden Sonntag mit einem eigenen "Wort des Bischofs". Dabei prangert er Sterbehilfe und Abtreibung genauso an wie Waffenlieferungen, die Kluft zwischen Arm und Reich, mangelndes Engagement für Klimaschutz oder Korruption im Fußball.

Pionier in Sachen Social Media

In mittlerweile über 250 Impulsen wendet er sich gegen Billig-Textilien, einen Kapitalismus pur und ruft zu Spenden für Bettler auf, auch wenn "diese dafür nur die nächste Flasche kaufen". Immer wieder legt er den Finger in die Wunde, mahnt gesellschaftliche Missstände an und kämpft für die christliche Perspektive bei den Themen der Zeit.

Populäre Botschaften sind das oft nicht und nicht selten erfährt er Gegenwind, vor allem in den sozialen Netzwerken. Er ist der erste Bischof in Deutschland, der sich so regelmäßig in den neuen Medien auch an eine jüngere Zielgruppe wendet. Mit Erfolg: die Videos erreichen zum Teil sechsstellige Reichweiten. Trotzdem seien echte Freunde wichtiger als virtuelle: "Gott braucht keine geposteten Smilys, sondern will uns selbst lächeln sehen."

Geprägt und inspiriert wurde Woelki in diesem starken Engagement auch von Rupert Neudeck. Woelki nannte den im Mai 2016 verstorbenen Menschenrechtler einen "treuen Freund". Im Sterbeamt hält er die Predigt und hebt dabei das Lebenswerk des Cap-Anamur-Gründers hervor, der 1979 tausende vietnamesische Flüchtlinge im Chinesischen Meer vor dem Ertrinken rettete.

Noch Jahre später sagt Woelki, auf die Frage, warum er mit Neudeck so gut klargekommen sei: "Weil ich vielleicht auch in manchem stur bin? Das muss man auch sein, damit man etwas erreicht und umsetzen kann. Wenn man immer nur schaut, was gerade opportun ist und wenn man immer nur danach trachtet, geradewegs anzukommen und nur das zu sagen, was gerade "en vogue" ist, dann kommt man nicht weiter. Man muss eine Vision haben, man muss eine Klarheit haben und man muss den Mut haben, auch dafür einzustehen und einzutreten." 

Keine unehrlichen Versprechen

Diese Klarheit wird auch deutlich, wenn es um aktuelle innerkirchliche Diskussionen in Deutschland geht. Forderungen nach der Priesterweihe für Frauen sind in seinen Augen unrealistisch, Versprechungen unehrlich. Dies liege nicht in der Verfügungsgewalt der katholischen Kirche. Zudem habe Papst Johannes Paul II. die Frage bereits verbindlich entschieden, sagt er noch im September.

Im Reformationsjahr 2017 markiert er den "zunehmenden Dissens" zwischen Katholiken und Protestanten in ethischen Fragen, etwa bei der Bioethik, dem Thema "Ehe für alle" oder der "Beurteilung von Abtreibung, Sterbehilfe oder Scheidung". Beim konfessionell-kooperativen Religionsunterricht, bei dem angesichts rückläufiger Schülerzahlen im Fach Religion katholische und evangelische Schüler gemeinsam unterrichtet werden, macht das Erzbistum Köln im Gegensatz zu den vier anderen NRW-Bistümern nicht mit.

Warnung vor Kirchenspaltung

Gegen eine Mehrheit im deutschen Episkopat stellt sich Woelki auch im sogenannten Kommunionstreit: Die Frage, ob einem evangelischen Partner in einer konfessionsverschiedenen Ehe unter bestimmten Voraussetzungen die Kommunion gereicht werden kann, sei weltkirchlich zu klären. 

Beim von einer Mehrheit der Bischöfe beschlossenen Dialogprozess "synodaler Weg", bei dem über die katholische Sexualmoral, den Zölibat oder die Rolle von Frauen diskutiert werden soll, warnt Woelki vor einem deutschen Sonderweg, der eine Kirchenspaltung zur Folge haben könnte.

Offen für Neues

Dennoch ist Woelki offen für Veränderungen: Sein Büro sowie zwei Hauptabteilungen leiten Frauen. Im Erzbistum gibt es ein Programm, dass sich ausdrücklich um die Förderung von Frauen in Führungspositionen kümmert. Um einen "partizipativen Leitungsstil" zu etablieren, führt er zudem den Diözesanpastoralrat ein, in dem neben Klerikern auch Laien mitreden.

Woelki leitet die mit 1,94 Millionen Katholiken mitgliederstärkste Diözese Deutschlands. Doch auch dort gibt es immer weniger Katholiken und Priester. Nach Prognosen halbiert sich bis 2030 die Zahl der Seelsorge-Mitarbeiter von rund 1.100 auf etwa 500. Gegen diese "Erosion des kirchlichen Lebens" hat der Kardinal einen "Pastoralen Zukunftsweg" ausgerufen.

Dialog auf Augenhöhe

Auf diese Weise will Woelki die Kölner Erzdiözese neu aufstellen und damit dem Rückgang an Mitgliedern und Priestern entgegenwirken. Erste Ergebnisse dieses komplexen Beratungsverfahrens liegen nun vor. Die kirchliche Präsenz auf Gemeindeebene soll gestärkt werden und hierbei den Laien mehr Entscheidungskompetenz zukommen. Über diesen Weg diskutiert er in den kommenden Wochen auf mehreren Regionalforen auf Augenhöhe mit den Gläubigen.

Keinen Hehl macht der Kölner aus seiner Leidenschaft für den 1. FC Köln. Die aktuellen Spielstände und den Geißbock als Bildschirmschoner hat er auf seinem Smartphone stets im Blick. Volksnähe beweist Woelki auch bei der anderen Leidenschaft der Rheinländer: dem Karneval. Gerne übernahm er die Tradition seines Vorgängers Kardinal Meisner, die Eröffnung der Karnevalssession gemeinsam mit den Karnevalisten mit einem Gottesdienst zu feiern. Seine Predigten dort gelten als einer der Höhepunkte im kölschen Kirchenjahr. Auch - oder gerade weil - er den Jecken mitunter mal die Leviten liest. Aber: "D´r leeve Jott es ja nit esu!" (Aber der liebe Gott ist ja nicht so).

Und die Bilanz nach fünf Jahren als Erzbischof in Köln? Mit seiner konsequenten Art hat er sich nicht nur Freunde gemacht, für die Rechtspopulisten ist er ein Feindbild. Für Sprüche wie "Wer "Ja" zu Kirchen sagt, muß auch "Ja" zu Minaretten sagen", erntet er regelmässig einen "Shitstorm". Innerkirchlich eckt er immer wieder an. Seine Reformagenda im Erzbistum Köln wird nicht nur begeistert aufgenommen. Volksnah und ein echt kölscher Jung bleibt er dennoch. 


Gratulationen zur Amtseinführung von Rainer Maria Kardinal Woelki / © Beatrice Tomasetti (DR)
Gratulationen zur Amtseinführung von Rainer Maria Kardinal Woelki / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Amtseinführung von Rainer Maria Kardinal Woelki / © Beatrice Tomasetti (DR)
Amtseinführung von Rainer Maria Kardinal Woelki / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Rainer Maria Kardinal Woelki bei der Amtseinführung / © Beatrice Tomasetti (DR)
Rainer Maria Kardinal Woelki bei der Amtseinführung / © Beatrice Tomasetti ( DR )

die Amtseinführung von Rainer Maria Kardinal Woelki / © Beatrice Tomasetti (DR)
die Amtseinführung von Rainer Maria Kardinal Woelki / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Amtsübergabe in Köln: Kardinal Meisner und Kardinal Woelki (dpa)
Amtsübergabe in Köln: Kardinal Meisner und Kardinal Woelki / ( dpa )

Kardinal Woelki wird am 20.9.2014 in Köln begrüßt (dpa)
Kardinal Woelki wird am 20.9.2014 in Köln begrüßt / ( dpa )

Domvorplatz bei der Amtseinführung von Rainer Maria Kardinal Woelki / © Beatrice Tomasetti (DR)
Domvorplatz bei der Amtseinführung von Rainer Maria Kardinal Woelki / © Beatrice Tomasetti ( DR )

20. September 2014: Amtseinführung von Kardinal Woelki in Köln (KNA)
20. September 2014: Amtseinführung von Kardinal Woelki in Köln / ( KNA )
Quelle:
DR , KNA