Vor einem Jahr kam Benedikt XVI. nach Freiburg

Was bleibt vom Papstbesuch?

Für Papst Benedikt XVI. waren es "intensive und wunderschöne Tage", die er in seinem Heimatland vom 22. bis 25.
September 2011 verbrachte. Bei seinem Deutschland-Besuch im Erzbistum Berlin, im Bistum Erfurt und im Erzbistum Freiburg konnte er Hunderttausende katholische Christen begeistern. Der Besuch wirkt unter ihnen bis heute fort.

 (DR)

Wo vor einem Jahr 100.000 Menschen mit dem Papst beteten, zirpt heute wieder die strenggeschützte Beißschrecke. Ab und an startet ein Kleinflugzeug und verschwindet überm Stadtwald. Am 25. September 2011 aber war der Freiburger Flugplatz ins Zentrum der katholischen Kirche gerückt - der Papstgottesdienst wurde weltweit live übertragen.



Was ist von der zweitägigen Freiburgvisite im Rahmen des Deutschlandbesuchs von Benedikt XVI. geblieben? Erinnerung an ein Glaubensfest unter südbadischer Sonne und Anstöße für die Kirche auf dem Weg in die Zukunft? Oder bloß die eigens produzierten "Papstbänke", die heute auf öffentlichen Plätzen oder auch am Regierungssitz von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Teich der Villa Reitzenstein ihren Platz gefunden haben?



Reicher Segen für unsere Kirche

Erzbischof Robert Zollitsch berichtet, dass ihn noch immer Katholiken ansprechen, die sich dankbar an den Papst erinnern. "Der Besuch war ein reicher Segen für unsere Kirche", fasst Zollitsch zusammen. Der Papst habe in seinen Freiburger Ansprachen "wertvolle Impulse" gegeben.



Wer sich unter einfachen Katholiken umhört, trifft neben dem Verweis auf die frohe Stimmung auch auf Zögern. Bei einigen ist Enttäuschung darüber zu spüren, dass der Papst beim Besuch im Land der Reformation keine entscheidenden Anstöße zur Ökumene gegeben habe. Auch die Frage der Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche sei nicht vorangekommen.



"Entweltlichungs"-Debatte

Ein Jahr, nachdem das Kirchenoberhaupt vom damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff am Lahrer Flughafen verabschiedet wurde, ist die vom Papst angestoßene "Entweltlichungs"-Debatte weiter virulent. In den Wochen danach war der Begriff in den Politikteilen und Feuilletons vor- und rückwärts buchstabiert worden. Benedikt XVI. mahnte in seiner Konzerthausrede mit dem bis heute unscharf gebliebenen Wort von der Entweltlichung der Kirche, Christen sollten in der Welt, aber nicht von dieser Welt sein.



War das der Aufruf, sich aufs fromme Kerngeschäft des Glaubens zurückziehen? Ein Affront gar gegen den Caritasverband mit bundesweit einer halben Million Beschäftigten und Hauptsitz in Freiburg? "Auf keinen Fall!", so der Caritaswissenschaftler und Dekan der Freiburger Theologischen Fakultät, Klaus Baumann. "Mir hat der Papst in einer persönlichen Begegnung gesagt, wie sehr ihm das Engagement der Caritas am Herzen liegt."



Gleichzeitig beschreibt der Theologe, dass der Entweltlichungsbegriff bei vielen Caritasmitarbeitern zu Verunsicherung führte. Zugleich habe die Debatte aber "viel kreatives Potenzial entfacht" und Katholiken dazu aufgerufen, gerade im Zuwenden zum Nächsten den Glauben lebendig werden zu lassen.



Brillante persönliche Worte

Für Andrea Heim, Diözesanleiterin des Jugenddachverbands BDKJ, ist vor allem die Erinnerung an das Abendgebet mit dem Papst auf dem Messegelände und 30.000 Jugendlichen lebendig geblieben. "In der Vigil hat der Papst brillante persönliche Worte gefunden und Jugendliche in ihren Lebenswelten angesprochen." Kritisch sieht Heim indes eine Gegenüberstellung von Religiosität und gesellschaftlichem Engagement. "Das darf man nicht gegeneinander ausspielen. Denn gerade aus dem Glauben erwächst politisches Engagement."



Viel Zeit nahm sich Benedikt XVI. in Freiburg für das Gespräch mit angehenden Priestern, er selbst übernachtete im Priesterseminar. "Er hat uns mit seiner feinen, bescheidenen Art fasziniert und uns eindringlich aufgerufen, unseren Glauben in die Welt zu tragen", erinnert sich Seminarleiter Michael Gerber. Er zeigt sich überzeugt, dass solche Großereignisse eine wichtige Rolle spielen können, junge Männer auf ihrem Weg zum Priesterberuf zu bestärken.



Die Kirchenbasis indes ist vielerorts weiter skeptisch, ob und wie eine Trendumkehr bei sinkender Katholiken- und Priesterzahl gelingen kann. Die Hoffnungen vieler Katholiken ruhen nun auf dem Dialogprozess zur Zukunft der Kirche. Im Frühjahr 2013 steht in Freiburg eine Diözesanversammlung an. Auch dort wird die Debatte um Entweltlichung und Glaubensverkündung fortgesetzt. Am Flugplatz wird dann noch mehr Gras gewachsen sein.