Vor Weihnachten stimmt Franziskus die Kurie auf Reformen ein

Der Papst predigt den Aufbruch

Hartes Brot für die Kardinäle: Das Christentum habe seinen kulturellen Führungsanspruch eingebüßt, sagt Franziskus vor der Kurie. Von seinem eingefahrenen Apparat verlangt er Veränderungen und neuen Missionsgeist.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
Der Papst predigt den Aufbruch / © Paul Haring (KNA)
Der Papst predigt den Aufbruch / © Paul Haring ( KNA )

"Wenn wir wollen, dass alles bleibt wie es ist, dann ist nötig, dass alles sich verändert" - so schwört Papst Franziskus vor Weihnachten die römische Kurie auf eine neue Zeit ein. Das Motto lieh er von Tancredi Falconeri, Hauptfigur des Romans "Der Leopard" von Giuseppe Tomasi di Lampedusa (1896-1957). Franziskus will seinen teils amtsmüden, störrischen Stab für einen Neuaufbruch motivieren. Ein schwieriges Unterfangen. Denn der Wind bläst rau. Das Christentum hat, wie das Oberhaupt von 1,3 Milliarden Katholiken trocken einräumt, seinen Führungsanspruch verloren.

In der Vergangenheit nutzte der Papst den Austausch der Weihnachtsgrüße mit seinen engsten Mitarbeitern für eine Gardinenpredigt, warf betagten Kurialen "geistliches Alzheimer", Kriecherei und Geschwätzigkeit vor. In diesem Jahr schlug er einen behutsameren Ton an. Die von ihm unternommene Leitungsreform harrt seit einem Jahr auf ihren formellen Abschluss, die Veröffentlichung der neuen Kurienordnung.

"Veränderungen und neueSchwerpunkten"

Genau dieses Dokument mit dem Arbeitstitel "Praedicate Evangelium" macht der Papst zum Angelpunkt seiner Rede: Kern der Reform soll die Verkündigung des Evangeliums sein, als "erste und wichtigste Aufgabe der Kirche". Einziger Zweck der Erneuerung: dass ihre Strukturen "missionarischer werden".

Damit bekommen jene Kirchenbehörden, die sich mit Glaubensverkündigung befassen, eine Art Richtlinienkompetenz. Franziskus selbst spricht von "Veränderungen und neuen Schwerpunkten" bei der Glaubenskongregation, der Missionskongregation und dem erst 2010 gegründeten Rat für Neuevangelisierung, in dem unter anderem der frühere Limburger Bischof Franz-Peter Tebarz-van Elst als ausgewiesener Katechese-Experte mitarbeitet.

"Wir brauchen andere Landkarten"

Wie die künftige Gewichtung aussehen soll, führt der Papst nicht konkret aus. Aber das, was von der neuen Kurienordnung bislang bekannt wurde, ließ Kommentatoren über ein "Super-Ministerium" für Evangelisierung spekulieren, das die Glaubenskongregation auf den zweiten Rang verweise. Erst vor zwei Wochen tauschte Franziskus den Chef der machtvollen Missionskongregation vorzeitig aus. Präfekt ist jetzt der mit 62 Jahren relativ junge Kardinal Luis Tagle aus Manila. Der Papst traut ihm Großes zu.

Nichts weniger als "andere Paradigmen" predigt Franziskus. In früheren Jahrhunderten teilte sich die Welt aus katholischer Sicht in zwei Hemisphären: christliche Lande und solche, die es werden sollten. Für die einen war als Hüterin des rechten Bekenntnisses die Glaubenskongregation zuständig, für die anderen die "Propaganda Fide", die Missionsbehörde. Heute, namentlich in den säkularisierten Großstädten, "brauchen wir andere Landkarten", so der Papst.

"Wir haben keine christliche Leitkultur"

Franziskus sagt es ungeschminkt: "Wir haben keine christliche Leitkultur, es gibt keine mehr! Wir sind heute nicht mehr die einzigen, die Kultur prägen, und wir sind weder die ersten noch die, denen am meisten Gehör geschenkt wird." Nüchtern konstatiert der Papst, das Christentum sei "keine dominante Größe mehr, denn der Glaube - vor allem in Europa, aber auch im Großteil des Westens - stellt keine selbstverständliche Voraussetzung des allgemeinen Lebens mehr dar".

Der Epochenwandel, wie Franziskus sagt, kommt für ihn nicht überraschend. Doch jetzt seien Veränderungen zwangsläufig geworden. Der Papst wendet sich mit einem Lieblingsbegriff seines Vorgängers Benedikt XVI. gegen Relativismus und eine Orientierung am "Zeitgeschmack". Und er verlangt einen Wandel in der Seelsorge, einen Aufbruch "zu neuen Ufern", auch neue Formen der Kommunikation in der Kirche.

Dienst an Armen

Ein Medium der Verkündigung des Evangeliums soll laut Franziskus der Dienst an Armen sein, an Ausgegrenzten und Migranten mit ihrem "Schrei in der Wüste unserer Menschheit". Es gehe um "Brüder und Schwestern", die von der globalisierten Gesellschaft aussortiert würden. Die Kirche müsse Zeugnis dafür geben, "dass es für Gott niemanden gibt, der fremd oder ausgeschlossen ist".

Auf Ursachen für den Glaubwürdigkeitsverlust der Kirche wie den Missbrauchsskandal, mangelnde Transparenz und fehlende Mitbestimmung von Laien geht der Papst in der festlichen Sala Clementina nicht ein. Seine altgedienten Kurienmitarbeiter warnt er vor der Versuchung, "sich in die Vergangenheit zurückzuziehen". Veränderung, das Leitwort des zitierten Romanhelden Tancredi. Dass über ihn am Ende die Vergeblichkeit triumphiert, bleibt ungesagt.


Papst Franziskus bei seiner traditionellen Weihnachtsansprache / © Paul Haring (KNA)
Papst Franziskus bei seiner traditionellen Weihnachtsansprache / © Paul Haring ( KNA )
Quelle:
KNA