Papst Franziskus reist zu Gräbern von zwei Dorfpfarrern

Warnung vor "elitärem Christentum"

Papst Franziskus hat an diesem Dienstag eine ungewöhnliche Reise unternommen: In zwei abgelegenen norditalienischen Dörfern besuchte er die Gräber von zwei Dorfpfarrern, um dort zu beten und Blumengebinde niederzulegen.

Papst Franziskus betet am Grab des Pfarrers Lorenzo Milani / © Osservatore Romano (KNA)
Papst Franziskus betet am Grab des Pfarrers Lorenzo Milani / © Osservatore Romano ( KNA )

Es ist eine für vatikanische Verhältnisse ungewöhnliche Reise, die Papst Franziskus am Dienstag in zwei entlegene italienische Dörfer unternahm. Sein Ziel: die Gräber zweier Dorfgeistlicher, die mit ihren unkonventionellen Ansichten und Methoden den Konflikt mit der kirchlichen Obrigkeit nicht scheuten.

Nach Franziskus' eigenen Worten hinterließen sie eine "leuchtende, wenn auch für einige unbequeme Spur". Ein Licht fällt von diesen Orten aus auch auf die Besuchspolitik des Papstes.

Reise zu Unbekannten 

Der Vatikan bezeichnete die Halbtagestour nach Bozzolo nahe Mantua und anschließend ins toskanische Barbiana als "privaten Besuch". Von den beiden Dorfpriestern hatte sich der eine, Primo Mazzolari (1890-1959), mit den Faschisten angelegt und sich für sozial Benachteiligte engagiert. Der andere, Lorenzo Milani (1923-1967), sorgte dafür, dass Kinder entlegener Bauernhöfe Schulbildung bekamen.

Kirchliche Fachlexika kennen diese Männer nicht. Für den Papst sind sie eine Pilgerreise wert.

Wohnblock als Ziel 

Mailand und Barbiana, Industriemetropole und Bergnest: Unter den Franziskus' italienischen Zielen stehen sie wie gleichberechtigt nebeneinander. Hatte er seine Pastoralreisen, die er als «Primas Italiens» absolviert, während des Heiligen Jahres weitgehend ausgesetzt, so begab er sich in diesem Frühling bislang nach Mailand und Monza, Carpi, Mirandola und Genua. Auf dem Plan stehen im Herbst noch Cesena und Bologna.

Der Besuch in Mailand war über kurz oder lang erwartbar: Neben Rom und mit Venedig ist es der bedeutendste Bischofssitz Italiens, und die letzte Papstvisite lag fünf Jahre zurück. Franziskus setzte aber für ihn typische Akzente. Nach seinem Motto, dass man die Dinge von der Peripherie her besser sieht, wählte er einen heruntergekommenen Wohnblock am östlichen Stadtrand als erstes Ziel. Das Mittagessen nahm er mit Häftlingen im Gefängnis San Vittore ein.

Erdebebenschäden noch sichtbar 

Etwas aus der Reihe der rund 170 noch unbesuchten italienischen Diözesen und Territorialabteien fielen die nächste Ziele: Carpi und Mirandola, Kleinstädte in der Emilia-Romagna bei Modena. Bei einem Erdbeben im Mai 2012 erlitten Wirtschaft und Gebäude beträchtliche Schäden; die Zahl der Toten betrug einen Bruchteil der Opfer in Mittelitalien im Herbst 2016.

Dennoch kam der Papst knapp fünf Jahre danach, am 2. April, spendete trauernden Angehörigen Trost und ermutigte die Menschen, nicht an den Schwierigkeiten des Alltags zu verzagen. Die Tränen der Besuchten, als Franziskus sprach, waren echt. Aber man konnte sich fragen, warum eigens der Papst den Wiederaufbau ankurbeln sollte und warum der Dom von Mirandola seit dem Beben noch immer eingerüstet und unbenutzbar ist.

Kritik an Spekulanten 

Auch in Genua, wieder einem traditionsreichen Erzbistum, setzte Franziskus Ende Mai einen eigenen Akzent. In den Blickpunkt rückte er den angeschlagenen Stahlkonzern ILVA. Tags zuvor war eine Übernahmelösung in trockene Tücher gekommen; Tausende Stahlwerker konnten aufatmen. Es musste Labsal für ihre Seelen sein, dass der Papst Beschäftigung für alle forderte und Spekulantentum geißelte.

Ohne gute Verteilung von Arbeit gerieten die Demokratie und der gesamte Sozialpakt in Gefahr, warnte er.

Worte in der Provinz 

Dass Franziskus bei seinem Besuch in Bologna am 1. Oktober zuerst mit jungen Nordafrikanern in einem Verteilzentrum für Migranten zusammentreffen will, kann kaum überraschen. Solche Begegnungen gehören für ihn quasi zum Pflichtprogramm, ebenso wie das Ziel Bologna selbst ein Zeichen ist, dass er die großen Bischofssitze Italiens nicht außer Acht lässt. Spekulationen über eine Spontanreise nach Sizilien zu Organisationen auf dem Feld der Flüchtlingsarbeit sind unterdessen abgekühlt. Abwegig sind sie nicht.

Fest steht: Was Franziskus zu sagen hat, spart er sich nicht für große Orte auf. Das Grab von Don Primo in Bozzolo wählte er für etwas Grundsätzliches: Die Pfarrer seien die Stärke der Kirche in Italien. "Wenn sie das Gesicht eines nichtklerikalen Klerus sind, dann begründen sie ein wirkliches Lehramt der Pfarrer, das allen so gut tut." Gesprochen in der Provinz, adressiert an jeden, der Ohren hat zu hören.


Quelle:
KNA