Deutsche Gemeinde in Kairo über Papstbesuch

Euphorie dämpfen

Der Besuch von Papst Franziskus in Ägypten hat im Nachgang hohe Wellen geschlagen. Msgr. Joachim Schroedel von der deutschen Gemeinde in Kairo sieht darin auch einen ernsten politischen Appell, wie er im domradio.de-Interview verrät.

Franziskus mit dem Papst der koptischen Christen, Tawadros II. / © Ciro Fusco (dpa)
Franziskus mit dem Papst der koptischen Christen, Tawadros II. / © Ciro Fusco ( dpa )

domradio.de: Bei dem Treffen des Papstes mit den Kopten wurde ein Dokument unterzeichnet, in dem geschrieben steht, dass die Katholiken und die Kopten nun gegenseitig ihre Taufe anerkennen. Wie schätzen Sie das ein, ist es wirklich so ein großer Schritt?  

Msgr. Joachim Schroedel (Seelsorger der deutschen Gemeinde in Kairo): Ich muss die Hoffnung und Euphorie etwas dämpfen. In der Erklärung, die zwischen Tawadros II. und dem Heiligen Vater geschlossen worden ist, heißt es, sie sind ernsthaft bestrebt, die Taufe nicht zu wiederholen. Ich habe gestern aus ganz hoher Quelle, nämlich im Priesterseminar von einem Kardinal erfahren, dass eben diese Situation noch nicht erreicht ist. Die Bischöfe, die die Synode der koptisch-orthodoxen Kirche bilden, sind mehrheitlich noch dagegen. Nur Papst Tawadros II. spricht sich dafür aus. Da müssen wir noch einen Weg hinter uns bringen. Ich sehe, dass die Presse da sehr euphorisch ist, aber es ist noch kein Gesetz, das in Stein gemeißelt ist. Wenn das denn so kommen würde, und wenn allein Papst Tawadros II. so stark ist und sagt: "Das ist mir wichtig", dann ist es ein sehr gutes Zeichen. Der Heilige Vater hat in der Ansprache auch mehrfach darauf hingewiesen, dass die Taufe uns schließlich eine. Das war gut und jetzt müssen wir sehen, wie sich das in der Praxis verwirklicht.

domradio.de: Als Katholiken stellen sie eine Minderheit mit Blick auf die koptisch-christliche Mehrheit im Land dar. Wie beurteilen Sie das Miteinander der verschiedenen Konfessionen?

Msgr. Schroedel: Das hat sich in der letzten Zeit gut entwickelt. Tawadros II. und unser koptisch-katholische Patriarch Ibrahim pflegen ein freundschaftliches Verhältnis. Aber wenn zum Beispiel ein Katholik eine koptisch-orthodoxe Frau heiraten will,  geht das nicht. Es gibt keine "Mischehe" bei uns. Also muss der Katholik Kopte werden und das bedeutet, er muss noch einmal wiedergetauft werden. Das ist für einen gutgläubigen Katholiken, der den Taufschein hat und auch aktiv in der Kirche war, sehr seltsam. Die Taufe ist durch das Eintauchen für die Kopten wichtiger als das Symbol an sich. Der Mensch muss eingetaucht werden, erst dann ist er richtig getauft. Diese Dinge finden nicht so oft statt, aber es sind eben wichtige Punkte, die auch hier hoffentlich durch den Besuch von Papst Franziskus bei Tawadros II. ausgeräumt werden konnten.

domradio.de: Auch mit muslimischen Glaubensführern ist der Papst zusammengetroffen und hat den Großimam, abweichend vom Protokoll, als "Mein Bruder" bezeichnet. Überrascht so ein Schritt?

Msgr. Schroedel: Nein, auch das ist nicht sehr überraschend. Papst Benedikt XVI. hat schon 2012 in dem nachkonziliaren Schreiben über die Kirche im Mittleren Osten gesagt: Natürlich sind das unsere Brüder. Hier wird Papst Franziskus etwas in den Mund gelegt, was andere vor ihm natürlich genau so gesagt haben.

Kurz nach der Begrüßung hat Franziskus ganz deutlich herausgearbeitet, welche Richtlinien für den Dialog gelten. Da sagt er: Verpflichtung zur Wahrung der Identität, Mut zum Anderssein und die Aufrichtigkeit der Absichten.  Es gebe keine Hintergedanken,  wenn man im Dialog sei. Sondern wir wollen einander kennenlernen. Man darf den Heiligen Vater nicht überinterpretieren - nach dem Motto: Er wird ja alle Christen und Muslime in einen 'Topf werfen und einmal umrühren' wollen - wie es manche sehr papstkritische Leute meinen. Hier wird sehr genau differenziert und die Texte geben das wunderbar her, wenn man genau hinschaut.

domradio.de: Schauen wir nochmal von der Religion auf die Politik. Papst Franziskus ist auch mit dem ägyptischen Staatspräsidenten al-Sisi zusammen getroffen, ein Politiker, der im Nachklang des Arabischen Frühlings nicht unbedingt unumstritten ist. Wie schätzen Sie das Treffen der beiden ein?

Msgr. Schroedel: Auch hier möchte ich mich auf die Reden beziehen, die der Papst vor Vertretern von Staat und Gesellschaft gehalten hat. Er hat natürlich den Präsidenten direkt angesprochen und gesagt, dass die drängenden und komplexen Probleme jetzt angegangen werden müssen. Und er zitiert sogar -  man stelle sich das vor - die Forderungen der Revolutionäre;  das was am 25. Januar 2011 die Revolution angeführt  hat: Brot, Freiheit, und soziale Gerechtigkeit. Daran fehle es noch, sagt der Papst. Ich denke, auch wenn die ägyptischen staatlichen Vertreter  -allen voran al-Sisi- sich das genau anhören, werden sie sehr viel Kritik hören. Der Papst fordert unveränderliche Menschenrechte, die Gleichbehandlung aller Bürger und Meinungsfreiheit. Das ist ein sozialkritisches Programm, was der Heilige Vater hier vorlegt. Wir werden sehen, welche Konsequenzen hier eventuell gezogen werden.

domradio.de: Verschiedene Medien schreiben von einem historischen Besuch. Würden Sie soweit gehen oder würden Sie sagen: Das ist zu viel Euphorie?

Msgr. Schroedel: Dieser Begriff wird ja gerne mal benutzt. Ich denke schon, dass gerade dieser zweite Besuch eines Nachfolgers des Heiligen Petrus in dem ganzen Nahen Osten  Menschen dazu bringt, zu sagen: Wir werden nicht alleine gelassen. Da gibt es Menschen, die haben uns lieb - auch wenn wir anders sind.  Der Heilige Vater hat Liebe und Barmherzigkeit  ins Land gebracht. Dafür kann man dankbar sein und das kann man dann auch als historisch bezeichnen.

Das Gespräch führte Renardo Schlegelmilch.


Msgr. Joachim Schroedel, Seelsorger der deutschen Gemeinde in Kairo / © Alexander Brüggemann (KNA)
Msgr. Joachim Schroedel, Seelsorger der deutschen Gemeinde in Kairo / © Alexander Brüggemann ( KNA )
Quelle:
DR
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