In der Karwoche erreicht das Kirchenjahr seinen Höhepunkt

Liturgie – ein "Heiliges Theater"?

Was wäre die Liturgie ohne eine richtige Inszenierung? Musik und Choreografie unterstützen die Feiern gerade an den Kar- und Ostertagen. Oft ist die Rede vom "Heiligen Theater". Ist das angemessen? Liturgische Gedanken zum Osterfest.

Papst Franziskus mit Osterkerze / © Paul Haring (KNA)
Papst Franziskus mit Osterkerze / © Paul Haring ( KNA )

Die Gottesdienste der Kar- und Ostertage bilden den Höhepunkt des gesamten Kirchenjahres. In beeindruckenden Zeremonien wird an das letzte Abendmahl, die Kreuzigung und die Auferstehung Jesu Christi erinnert. Der liturgische Schatz unserer Kirche zieht hier alle Register von der absoluten Kargheit des Karfreitags ohne Orgel, ohne Glockenklang bis hin zum Jubel des Halleluja in der Osternacht. Auch der Kirche fernstehende Menschen zeigen sich nicht selten beeindruckt, wenn sie einen feierlichen Gottesdienst erlebt haben, bei dem alle Sinne angesprochen wurden.

Barock als "theatrum sacrum"

In diesem Zusammenhang wird gerne von der Liturgie als "heiligem Theater" gesprochen. Dieser Begriff stammt aus der Barockzeit, wo bildliche Darstellungen der Heilsgeschichte mit theatralischen Effekten versehen werden. Der römische Barock hat dies mit zahlreichen Kunstwerken meisterhaft umgesetzt, aber auch manche barocke Kircheneinrichtung bei uns in Deutschland zeigt deutliche Einflüsse dieses "theatrum sacrum".

In der Liturgie spiegelt sich dieser Begriff durch eine zum Teil aufwendige Inszenierung bestimmter Riten vor allem in römisch-katholischen Gottesdiensten in unseren Breiten. Prozessionen, die Choreografie der Mitwirkenden, die prachtvollen Gewänder, die Verwendung von Weihrauch, feierliche Klänge der Kirchenmusik, alles das trägt zu Staunen, Überraschung und Überwältigung der Anwesenden bei. Mancher wendet sich allerdings auch ab, weil ihm diese Effekte zu stark sind und vom Kern des zu feiernden Geheimnisses ablenken. Das Wort "Theater" hat also sowohl eine positive wie auch eine negative Konnotation.

Realität statt Theater

Aber ist das, was wir da beim Feiern der heiligen Geheimnisse begehen, wirklich "heiliges Theater"? Wer schon einmal eine Theateraufführung oder eine Oper besucht hat, wird von dem Erlebten nicht selten beeindruckt worden sein. Ob nun vor aufwendiger Kulisse oder in puristischem Ambiente, immer geht es darum, den Inhalt des gespielten Stücks möglichst glaubhaft und authentisch darzustellen, als würde es wirklich geschehen.

Und da ist bereits der Punkt, an dem sich das Theater von der Liturgie maßgeblich unterscheidet: Wenn die Osterkerze in die dunkle Kirche hineingetragen wird, dann tun wir jetzt nicht nur so, als ob Jesus Christus gegenwärtig wäre. Er ist wirklich da - zumindest für die, die an seine Gegenwart in Wort und Sakrament glauben. Die Vergegenwärtigung des Geschehens in der Feier der Liturgie wird auch durch den Zusatz "das ist heute" im Eucharistischen Hochgebet am Gründonnerstag deutlich. Es geht also um mehr als um eine bloße Erinnerung.

Ein Mord auf einer Bühne ist dagegen - glücklicherweise - nie die Wirklichkeit. Spätestens wenn der Vorhang fällt, richtet sich das Opfer wieder auf und geht in die Maske. Dagegen bleiben die kirchlichen Amtsträger auch ohne ihre Gewänder Amtsträger und die mitfeiernde Gemeinde sind weiterhin getaufte Christen.

Dem Publikum zugewandt

Wer schon einmal selbst Theater gespielt hat und die goldenen Regeln kennt, weiß, dass alles, was auf der Bühne geschieht, dem Publikum präsentiert wird. Dialoge werden immer laut und deutlich dem Publikum zugewandt gesprochen. Das Stille im Verborgenen spielt keine Rolle und bleibt der Fantasie der Zuschauer überlassen. Und in der Liturgie? Die stillen Gebete des Priesters bei der Gabenbereitung wären in einer Theateraufführung ebenso unsinnig und fehl am Platz wie andere nicht sicht- und hörbaren Dinge, die jedoch in der Liturgie vollzogen werden. Dazu gehört auch das unausgesprochene Gebet jedes Einzelnen.

Die Gemeinde erlebt Liturgie nicht wie im klassischen Theater passiv, sondern ist in voller und tätiger Teilnahme Mitakteurin. Am deutlichsten sichtbar wird dies bei der Einbindung in liturgische Prozessionen wie am Palmsonntag, während bei der Segnung des Feuers und Entzündung der Osterkerze zu Beginn der Osternacht oft nur die wenigsten dabei sind und viele stattdessen ihre Sitzplätze in der Kirche eingenommen haben.

Manchmal taucht sie aber wieder auf, die gedankliche Grenze zwischen Akteuren im Altarraum und der Gemeinde auf den Zuschauerplätzen – vor allem dann, wenn nicht mehr klar ist, an wen Gebete und Texte gerichtet sind. So kann Liturgie im Sinne eines Theaterstücks auch zur Volksbelehrung werden. Gerade die vor uns liegenden Kar- und Ostertage mit ihren beeindruckenden Feiern zeigen, dass wir im Gottesdienst mehr feiern als nur Theater. Es ist eine Vergegenwärtigung dessen, was sich vor etwa 2.000 Jahren tatsächlich ereignet hat und bindet in der Liturgie alle - Gemeinde wie Priester und besondere liturgische Dienste - als Akteure ein.

 

Die liturgische Farbe des Palmsonntags ist rot / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die liturgische Farbe des Palmsonntags ist rot / © Beatrice Tomasetti ( DR )

 

Fußwaschung an Gründonnerstag / © Sonja Preiss (Erzbistum Köln)

 

Papst Franziskus liegt auf dem Boden während der Liturgie am Karfreitag / © Vatican Media (KNA)
Papst Franziskus liegt auf dem Boden während der Liturgie am Karfreitag / © Vatican Media ( KNA )
Quelle:
DR