Was steckt hinter der "Woche der Meinungsfreiheit"?

"Man kommt gar nicht mehr in den Dialog"

Mit einer "Woche der Meinungsfreiheit" nimmt der Börsenverein des Deutschen Buchhandels Meinungsfreiheit und Diskussionskultur in Deutschland in den Blick. Im digitalen Zeitalter müsse wirklicher Dialog neu gelernt werden, heißt es.

Symbolbild Meinungsfreiheit / © Ollyy (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Warum war es Zeit für eine ganze Woche rund um die Meinungsfreiheit? 

Thomas Koch (Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels): Wir wollten das schon sehr lange machen, weil wir uns schon sehr lange intensiv für Meinungsfreiheit einsetzen. Bücher sind ja ganz essentiell für den Meinungsbildungsprozess und leben auch davon, dass Autorinnen, Autoren und Verlage frei publizieren können.

Wir haben auch das Gefühl, dass das Diskussionsklima hier in Deutschland rauer geworden ist. Gerade in den sozialen Medien werden häufiger einfach feststehende Meinungen ausgetauscht und man kommt gar nicht mehr in den Dialog. Wenn man Pech hat, wird man sogar von Hass und Hetze verfolgt.

Wir wollten in der Gesellschaft das Bewusstsein nochmal verankern, wie wichtig es ist, dass wir die Meinungsfreiheit haben, aber gleichzeitig auch aufzeigen, dass wir vielleicht wieder zu einer besseren Diskussionskultur zurückfinden müssen. 

DOMRADIO.DE: Bei uns in Deutschland heißt es ja oft, dass man manches nicht mehr sagen darf. Und dann sagen die gleichen Menschen aber doch sehr abstruse und absurde Dinge. Muss man Meinungsfreiheit erst einmal lernen, vielleicht auch neu lernen? 

Koch: Man muss da ja immer ein bisschen unterscheiden: Hier in Deutschland ist ja tatsächlich die Meinungsfreiheit gesetzlich verankert und sie wird auch so gelebt. Also man darf seine Meinung sagen. Es gibt nur ein paar Straftat-Punkte, die ausgenommen sind.

Und es ist ein bisschen gefährlich, immer zu sagen, man darf etwas nicht sagen. Oft steckt dahinter, dass man Kritik für seine eigene Meinung bekommt und damit nicht einverstanden ist. Ich glaube, die gesamte Bevölkerung muss mehr lernen, auch mal mit sehr abweichenden Meinungen, die man jetzt sehr schnell auch im Internet lesen kann, umzugehen und erst mal zu hinterfragen: Ist da vielleicht was dran?

Es geht darum, diese Meinungen auch mal auszuhalten und in jedem Fall sachlich zu diskutieren. 

DOMRADIO.DE: In der Kirche wird ja aktuell auch viel diskutiert und gestritten, zum Beispiel beim Synodalen Weg. Was meinen Sie, wie ist es um die Streitkultur bestellt bei uns in Deutschland? 

Koch: Ich glaube, wir müssen da auch jetzt mit den sozialen Medien ein bisschen neu lernen. Es wird auch immer wichtiger, in Schulen schon recht früh das Debattieren und Argumentieren zu lernen. Denn die Meinungsfreiheit kann so viel bewirken: Wir können so viel in der freien Debatte lernen und unsere Gesellschaft weiterbringen. Wir müssen aber auch wissen, wie.

DOMRADIO.DE: Sie haben auf der Homepage des Börsenvereins eine Charta der Meinungsfreiheit veröffentlicht, mit elf Punkten, die die Meinungsfreiheit näher beschreiben. Was hat es damit auf sich? 

Koch: Die Charta der Meinungsfreiheit ist sozusagen die inhaltliche Grundlage unserer Woche. Wir wollten ein Dokument schaffen, hinter das sich Bürgerinnen und Bürger, aber auch Institutionen und Organisationen stellen können, um zu sagen: Nach diesen Prinzipien möchte ich gerne leben. Nach diesen Prinzipien soll in meinem Unternehmen diskutiert werden.

Gleichzeitig sollen sich auch Verfolgte auf diese Charta berufen können. Denn gerade in anderen Ländern ist es eben nicht so selbstverständlich, dass man frei seine Meinung sagen kann. Wir haben mittlerweile schon über 1.500 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner und rufen dazu auf, während dieser Woche, aber auch darüber hinaus, diese Charta zu unterzeichnen und damit ein Zeichen für Demokratie, Vielfalt und Toleranz zu setzen. 

DOMRADIO.DE: In dieser Woche gibt es verschiedene Debatten und Aktionen rund um die Meinungsfreiheit. Können Sie ein paar Sachen herausgreifen? 

Koch: Am Mittwoch wird es zum Beispiel eine Debatte zum Thema "Cancel Culture" (Absagekultur, Anm. d. Red.) geben. Wir machen zum Gedenktag der Bücherverbrennung, der jedes Jahr am 10. Mai ist, eine Sendung zum Thema: Wie war das damals mit der Bücherverbrennung und welche Verantwortung wächst für uns daraus? Unser Partner Amnesty International macht bestimmte Aktionen für verfolgte Schriftstellerinnen und Schriftsteller weltweit.

In diesem Jahr ist noch sehr viel digital. Aber wir hoffen, im nächsten Jahr viele Veranstaltungen vor Ort durchführen zu können.

Das Interview führte Carsten Döpp.


Quelle:
DR