EU-Politiker rufen Türkei zu weiteren Reformen auf

Frustration auf beiden Seiten

Die EU-Kommission wirft der Türkei weiter Mängel bei der Religionsfreiheit und anderen Menschenrechten vor. Im neuen Fortschrittsbericht heißt es, bei den Menschenrechten seien weitere große Anstrengungen nötig, um die EU-Kriterien zu erfüllen. Das gelte etwa für die Meinungsfreiheit.

 (DR)

Frustration auf beiden Seiten

EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle rief dazu auf, den ins Stocken geratenen Beitrittsverhandlungen neue Impulse zu geben. Derzeit herrsche Frustration auf beiden Seiten. Der Fortschrittsbericht wurde am Mittwoch in Brüssel offiziell vorgelegt. Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber verlangte einen endgültigen Abbruch der Verhandlungen. Die Türkei mache eher Rückschritte als Fortschritte.



Europaabgeordnete mehrerer anderer Parteien appellierten dagegen an die Türkei, Reformen zügig anzugehen. Der SPD-Abgeordnete Wolfgang Kreissl-Dörfler sagte, die militärische Drohkulisse gegenüber Zypern und Israel helfe dem EU-Beitrittsprozess nicht. Alexander Graf Lambsdorff (FDP) unterstrich, das Land brauche dringend weitere Reformen. Wie er appellierte auch die Grünen-Europaabgeordnete Ska Keller an die EU, Signale guten Willens an die Türkei zu senden.



Bericht: nichtmuslimische Religionsgemeinschaften haben weiter Probleme

Im EU-Fortschrittsbericht heißt es zur Religionsfreiheit, nichtmuslimische Religionsgemeinschaften hätten weiter Probleme, weil sie keine Rechtspersönlichkeit haben könnten. Dadurch würden ihre Eigentumsrechte, ihr Zugang zur Justiz und ihre Möglichkeit zum Spendensammeln eingeschränkt. Beschränkungen gebe es weiter bei der Priesterausbildung. Personaldokumente enthielten noch immer Angaben über die Religionszugehörigkeit. Befreiungen vom verpflichtenden Unterricht über religiöse Kultur und Ethik seien nach wie vor nur schwer zu erhalten.



Baubestimmungen würden häufig missbraucht, um Neueröffnungen von Kirchen und Gotteshäusern zu verhindern. Zudem werde weiter über Schändungen und Übergriffe gegen Kirchen, Synagogen und Friedhöfe berichtet. Morde an Geistlichen seien noch nicht vollständig aufgeklärt.



Die EU-Kommission bemängelt nur "begrenzte Fortschritte" auch bei anderen Grund- und Menschenrechten in der Türkei. Zugleich lobt sie Pläne zur Verfassungsreform und nennt die Standards der Wahlen gut. Auch sei die Unabhängigkeit der Justiz gestärkt worden. Allerdings sei die Bekämpfung von Folter und Misshandlung in der Türkei kaum vorangekommen.



Vorwurf: Verletzung der Meinungsfreiheit

Sorge mache zudem die große Zahl von Verletzungen der Meinungsfreiheit. Dazu zählten etwa Urteile gegen Schriftsteller und Journalisten, aber auch Zugangsbeschränkungen zum Internet. Auch Gewalt gegen Frauen, Ehrenmorde und Zwangs- und Frühverheiratungen blieben große Probleme im Land. Es fehle an wirksamen Gesetzen gegen Diskriminierung.



Auch das Arbeitsrecht und die Gewerkschaftsrechte entsprächen nicht den EU-Standards, kritisiert die EU-Kommission. Mit Blick auf die Lage der Kurden stellt sie zwar Fortschritte fest; allerdings gebe es weiter widersprüchliche Justizentscheidungen zu kurdischen Politikern und Menschenrechtlern.