"Weiße-Rose"-Mitglied Sophie Scholl vor 100 Jahren geboren

Ein langer Lernprozess bis zum Widerstand

Vom Hitlermädchen zur Widerstandskämpferin: Sophie Scholl ist einen weiten Weg gegangen. Vor 100 Jahren wurde sie geboren. An ihren Widerstand mit der "Weißen Rose" erinnern Schulen, Gedenkmünzen und neue Biografien.

Autor/in:
Christoph Arens
Hans und Sophie Scholl / © dpa (dpa)
Hans und Sophie Scholl / © dpa ( dpa )

Sie ist eine Ikone des Widerstands gegen Hitler. Ihre glatt polierte Büste steht in der Walhalla in Regensburg, Schulen und Straßen sind nach ihr benannt, es gibt zwei neue Biografien, Gedenkmünzen und Briefmarken zu ihrem Geburtstag.

Am Sonntag vor 100 Jahren, am 9. Mai 1921, wurde Sophie Scholl als viertes Kind einer bildungsbürgerlichen Familie im hohenlohischen Forchtenberg geboren. Der Vater Kommunalpolitiker, die Mutter vor der Ehe Diakonisse und pietistisch-protestantisch gesinnt, beide im Ersten Weltkrieg entschiedene Kriegsgegner.

Zusammen mit ihrem Bruder Hans und Mitstudenden in München gehörte Sophie der "Weißen Rose" an, die von Sommer 1942 bis Februar 1943 mit Tausenden Flugblättern vor dem verbrecherischen Nazi-Regime warnte. Doch manche Biografie der in Ulm aufgewachsenen Sophie wirkt allzu glatt poliert. Der Weg in den später so bezeichneten "Aufstand des Gewissens" verlief nicht so geradlinig, wie es der Mythos will.

Zunächst Hitlermädchen

Denn der Faszination der NS-Jugendbewegung konnte sich Sophie Scholl lange nicht entziehen. Ihre Schwester Inge Aicher-Scholl erinnerte sich später: "Wir hörten viel vom Vaterland reden, von Kameradschaft, Volksgemeinschaft und Heimatliebe. Das imponierte uns." Sophie übernahm die Leitung einer Jungmädel-Schar im Bund Deutscher Mädel (BDM). Mutproben und Ideale wie das bedingungslose Teilen von Proviant und Geld waren ihr wichtig. Ein Beweis dafür, dass der Nationalsozialismus nicht nur reaktionär war, sondern auch revolutionär daherkam - insbesondere für sich vom Elternhaus abnabelnde, idealistische Jugendliche.

Weder für Sophie noch für Hans gab es ein Erweckungserlebnis, das zur Abkehr vom NS-System führte. "Am Tag der sogenannten Reichskristallnacht hört man nichts von Sophie", wundert sich ihr Biograf Robert Zoske. "Obwohl sie am nächsten Tag zwei lange Briefe schreibt." Pazifistin war sie auch nicht.

Prozess hin zum Widerstand

Verschiedene Erfahrungen öffneten Sophie Scholl die Augen, darunter die Strafverfolgung von Hans wegen angeblicher "bündischer Umtriebe" 1937, der Krieg und die Berichte ihrer Freunde von der Ostfront, der Reichsarbeitsdienst 1941. Auch die Protestpredigten des Münsteraner Bischofs von Galen vom Sommer 1941 erhöhten die Distanz. Es war ein Prozess, der mit der wachsenden Gewalt des Regimes zu tun hatte und mit seiner zunehmenden Forderung nach Konformität und Gehorsam. Eines konnte Sophie Scholl nicht ertragen: Freiheitsbeschränkung.

"Von Politik verstehe ich nicht viel, will ich auch gar nicht verstehen, aber ich weiß zu unterscheiden zwischen Recht und Unrecht", schrieb sie an ihren Freund Fritz Hartnagel. Spät erst, 1942, folgte sie ihrem christlich geprägten Gewissen, wie Zoske in seiner im November erschienen Biografie "Es reut mich nichts: Porträt einer Widerständigen" schreibt.

Sophie folgte ihrem Bruder zum Studium nach München und schrieb sich für die Fächer Biologie und Philosophie ein; in den Semesterferien musste sie in der Rüstungsproduktion in einem Ulmer Betrieb arbeiten. An den ersten vier Flugblättern der "Weißen Rose", ab Juni 1942 verfasst von Hans Scholl und Alexander Schmorell, war Sophie vermutlich nicht beteiligt. Sie besorgte aber Geld für einen Vervielfältigungsapparat.

Ausweitung des Widerstands

Nach und nach weitete die "Weiße Rose" ihren Widerstand aus, druckte immer höhere Auflagen ihrer Flugblätter, die nach Köln, Stuttgart, Berlin und Wien gelangten. Im Dezember 1942 zogen die Studenten Professor Kurt Huber ins Vertrauen. Er verfasste das sechste und letzte Flugblatt: einen Aufruf zum Aufstand der Jugend gegen Hitler.

"Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende", lautete die Parole auf den Flugblättern, die die Geschwister Scholl am 18. Februar 1943 in der Münchner Universität verteilten. Als die Blätter durch den Lichthof flatterten, wurden sie ertappt. Der Hausdiener verständigte die Gestapo.

Schon am 22. Februar wurden sie von Blutrichter Roland Freisler verurteilt und hingerichtet: "So ein herrlicher Tag, und ich soll gehen. Aber was liegt an unserem Leben, wenn wir es damit schaffen, Tausende von Menschen aufzurütteln und wachzurütteln", lauten die vielzitierten letzten Aufzeichnungen von Sophie Scholl.


Quelle:
KNA