Felicitas Hoppe schreibt über Heilige und Heiliges

Im Gespräch mit dem Evangelium

"Die Bilderwelt des Katholizismus grundiert mein literarisches Schaffen", sagt Felicitas Hoppe. In "Fährmann, hol rüber" schreibt sie über Heilige, das "aufgespannte Ohr Gottes" und "wie man das Johannesevangelium pfeift".

Ein neugotischer Christophorus mit dem Christuskind (KNA)
Ein neugotischer Christophorus mit dem Christuskind / ( KNA )

“Ich bin katholisch sozialisiert und gehe in den Texten diesen Prägungen nach und frage mich, wie diese Welt des Katholizismus, des Glaubens, diese Bilder, die Heiligen zum Beispiel, wie die natürlich auch mein ganzes literarisches Schaffen grundieren”, sagt Felicitas Hoppe im DOMRADIO.DE Interview.

Die Büchnerpreisträgerin würde nie von sich sagen, dass sie katholische Literatur schreibe. Ja, sie sei eine Schriftstellerin, die katholisch sei und sich auch häufig, wenn sie schreibe, bei biblischen Bildern oder bei den Heiligen bediene. “Aber ich benutze ja meine Texte nicht dazu, um Werbung für den katholischen Glauben zu machen, sondern ich gehe dieser unglaublich reichen Bilder- und Geisteswelt nach und suche meine eigenen Spuren auf”.

Wie helfen Heilige?

In Ihrem neuen Buch ‘Fährmann, hol rüber! Oder wie man das Johannesevangelium pfeift’ geht es um die Bibel, es geht um die Beichte, um Heiliges und Heilige. ‘Der Fährmann’, ist z.B. Ihr Lieblingsheiliger, das ist der heilige Christophorus, der uns auf Reisen und gegen die Pest und jetzt auch gegen Corona beschützt.

Aber hilft uns das wirklich? “Ja, das hilft”, sagt die Schriftstellerin, “das hilft insofern, als ich dann in ein Gespräch mit dem Heiligen trete und jedes Gespräch hilft. Ich weiß nicht, wenn ich zu einem Heiligen spreche oder mit einem Heiligen in Kontakt trete, ob das dann auch funktioniert oder nicht funktioniert. Die Tatsache aber, dass ich ein Gespräch aufnehme, dass ich meine Sorgen artikuliere, dass ich meine Ängste im Fall von Christophorus auf die stärkeren Schultern lege, das hilft apriori schon mal sehr”.

Wer von euch ohne Schuld ist

Im Dialog mit der Bibel, dem Geheimnis des Lebens und des Glaubens näher zu kommen, davon schwärmt die Autorin. Die Art, wie Jesus mit Sprache und Kommunikation umgehe, sei da richtungsweisend. Als zum Beispiel die Ehebrecherin gesteinigt werden soll und die Pharisäer sich auf Mose berufen, der die Steinigung einer Ehebrecherin im Gesetz vorgeschrieben habe und Jesus fragen: 'Was meinst du?', antwortet Jesus: 'Wer von euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein'. “Er gibt sozusagen die Frage zurück und entzieht sich dem Schwarz-Weiß-Muster”, erklärt Felicitas Hoppe.

“Das ist etwas, was eigentlich zutiefst literarisch ist, nämlich zu sagen, es geht hier nicht um eine Meinung, es geht nicht um ein Urteil, es geht nicht um ein Statement, es geht nicht um richtig oder falsch, sondern er gibt es zurück und sagt ‘Ja, wer von euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein’. Das ist ja das Bezeichnende. Und dann wird sozusagen der Vorwurf auf den Frager zurückgeworfen. Er muss sich damit dann auseinandersetzen”.

Dem Geheimnis des Glaubens auf der Spur

In den Essays und Vorträgen von Felicitas Hoppe wird klar, dass das Auftreten von Jesus in den Evangelien hier auch für ein poetologische Konzept stehen könnte, für die Idee, wie man auch als Schriftstellerin mit Sprache und Geschichten dem Geheimnis des Lebens näher kommen könnte. “Das ist der Freiraum, den ich auch in der Literatur suche”, sagt Hoppe, “dass die Dinge nämlich nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern dass sie miteinander ins Verhältnis gesetzt werden. Und wir kommen niemals an ein Ende. Es gibt kein Ende der Argumentation, es gibt kein Ende der Auseinandersetzung. Diese Dinge sind ständig in Bewegung. Das heißt vollkommen undogmatisch”.

Wie man das Johannesevangelium pfeift

Fasziniert erzählt die Autorin in ihrem Buch von den Schweizer Hirten, die die alte Tradition kennen, das Johannesevangelium zu pfeifen, die auf eine christliche Legende zurückgeht. “Diese Legende zeigt auch, dass es immer Ausweichmöglichkeiten  gibt. Wenn uns jemand z.B. verbietet zu beten, so wie in dieser mystischen Schweizer Sage erzählt wird, dass der große Bruder dem Kleinen verbietet, das Johannesevangelium zu beten, so reagiert dieser kleine Bruder, indem er ein neues Mittel wählt. Er unterläuft das Verbot und er fängt eben einfach an, das Evangelium zu pfeifen”.

Themen, mit denen man nie fertig wird

Felicitas Hoppes Aufsätze über Gott und Glauben sind keine theologisch hochmögenden Traktate, sondern inspirierende Denkanstöße mit ganz handfesten Bildern aus der Bibel, auch aus Märchen oder aus den heiligen Legenden. “Das ist das Faszinierende, dass ich mich nicht hinsetze und sage: ‘So, ich habe hier eine bestimmte Aussage und die möchte ich jetzt verschriftlichen”, erzählt Hoppe, “sondern dass ich im Gespräch mit mir selbst oder mit den Heiligen oder mit dem Johannesevangelium plötzlich wie durch einen Wald wandere. Und am Ende komme ich im günstigsten Fall auf eine Lichtung und es ist etwas heller geworden. Manchmal wird es aber auch dunkler. Das sind ja Themen, mit denen man einfach nicht fertig wird”.


Felicitas Hoppe / © Anita Affentranger (Fischer)
Felicitas Hoppe / © Anita Affentranger ( Fischer )

Verschiedene Medaillions mit dem Abbild des Heiligen Christophorus / © Katharina Ebel (KNA)
Verschiedene Medaillions mit dem Abbild des Heiligen Christophorus / © Katharina Ebel ( KNA )

Fresko mit Darstellung des Heiligen Christophorus im Dom Sankt Georg in Limburg (KNA)
Fresko mit Darstellung des Heiligen Christophorus im Dom Sankt Georg in Limburg / ( KNA )
Quelle:
DR