Steffen Kopetzky über die Allerseelenschlacht 1944

Das Wunder vom Hürtgenwald

Als Blutwald ist der Hürtgenwald in der Eifel in die Geschichte eingegangen. Vor 75 Jahren - im November 1944 - fand hier die Allerseelenschlacht statt. Steffen Kopetzky hat den Roman "Propaganda" über die Schlacht im Hürtgenwald geschrieben.

Ehrenfriedhof Vossenack im Hürtgenwald (privat)
Ehrenfriedhof Vossenack im Hürtgenwald / ( privat )

"Die Schlacht im Hürtgenwald war ganz besonders grausam", sagt Steffen Kopetzky, "die Korrespondenten und Soldaten nannten sie die Todesfabrik, 'death factory'". Der Autor Kopetzky erzählt in seinem Roman 'Propaganda', wie der junge US-Soldat John Glück diese Schlacht erlebt, die für die Amerikaner ein Desaster wurde. Dabei begegnet John Glück auch dem jungen deutschen Sanitätsarzt Günter Stüttgen, eine historische Figur, die als 'German Doctor' in Amerika verehrt wird.

Vielleicht hatte er himmlischen Beistand

Denn mitten in der Todesfabrik der Alleseelenschlacht im November 1944 geschah das Wunder vom Hürtgenwald. US-amerikanische und deutsche Soldaten kämpften in der Eifel an der westlichen Frontlinie um jeden Meter Boden. Im Kalltal gab es eine entsetzliche Situation. "Nach tagelangen Kämpfen waren die Frontlinien völlig aufgelöst", erzählt Steffen Kopetzky, "die amerikanischen und deutschen Soldaten hatten sich Mann gegen Mann bekämpft. Sie lagen schwer verletzt Kopf an Kopf, Seit an Seit auf diesem Schlachtfeld. Es wurde weiter von beiden Seiten geschossen und es war unmöglich aufgrund der verfahrenen Situation, den Verletzten zu helfen". In dem Moment habe Hauptmann Günter Stüttgen, ein 24jähriger Sanitätsarzt aus Düsseldorf, einen partiellen Waffenstillstand gefordert, erzählt Kopetzky weiter. Stüttgen habe gesagt, er könne da nicht reingehen, um den schwer verletzten Soldaten zu helfen. "Wie ihm dieser Waffenstillstand für eine gewisse Zeit gelungen ist, das weiß man nicht. Vielleicht hatte er himmlischen Beistand, vielleicht war es sein Charisma, jedenfalls konnte er mit den Amerikanern diesen partiellen Waffenstillstand aushandeln", erzählt der Autor weiter. Deutsche Sanitäter konnten dann unter seiner Anleitung deutschen und amerikanischen Verletzten helfen.

In Amerika werde der 'German Doctor' heute noch verehrt. Nach dem Krieg wurde er ein prominenter Arzt. Er habe aber sein ganzes Leben lang nicht über sein Handeln im Hürtgenwald gesprochen", sagt Kopetzky. Von den Amerikanern wurde er später identifiziert und sein Handeln im Hürtgenwald bekannt gemacht. Stüttgen selbst habe sich nie als Held gesehen, nur als Stellvertreter für alle Ärzte, die im Krieg sind und die sagen, ich helfe – egal ob Feind oder Freund.  

Aufzeigen, woher unsere Gegenwart kommt

"Ich versuche, historische Zusammenhänge aufzuzeigen", beschreibt der Autor Kopetzky seine Motivation, historische Ereignisse in einem Roman zu erzählen. "Wir leben in einem wahnsinnigen Takt der Jetztzeit. Es zählen nur die letzten zehn Minuten. Was länger her ist, interessiert schon keinen mehr. Es ist immer der nächste und neue Tweet den Präsident Trump absetzt, der alle Aufmerksamkeit bekommt. Das ist alles ein großes Verwirrspiel, und wir fallen darauf herein". Als Schriftsteller versuche er, Kontexte, Zusammenhänge und Entwicklungen aufzuzeigen, so dass dem Leser ein Licht aufgehen möge, woher unserer Gegenwart kommt, hofft der Autor.

Erinnern an die amerikanischen Ideale von einst

Historische Fakten webt der Autor gekonnt ins Handlungsgeschehen ein. Sein Roman 'Propaganda' über die Allerseelenschlacht im Hürtgenwald ist ein Antikriegsroman. John Glück der idealistische amerikanische Romanheld und Kriegsberichterstatter soll uns auch an die Ideale der jungen US-amerikanischen Soldaten erinnern, die einst geholfen haben, Deutschland zu befreien. "In der aktuellen politischen Situation", sagt Steffen Kopetky, "können wir Europäer die US Amerikaner an ihre eigenen Ideale von einst erinnern. Ich denke schon, dass wir Europäer, speziell wir Deutschen, die wir den Amerikanern so viel zu verdanken haben, gerade in der Pflicht sind, diese Ideale hochzuhalten", hofft der Autor. "Ganz abgesehen davon, dass es in Amerika immer auch andere Stimmen gibt. Wir sind als Europäer gefordert, diese Fackel der Freiheit, der Demokratie, der Selbstbestimmung weiter voran zu tragen".


Steffen Kopetzky / © Enno Kapitza (Rowohlt)
Steffen Kopetzky / © Enno Kapitza ( Rowohlt )
Quelle:
DR