Klassische Musik bleibt eine Männerbastion

Crowdfunding für eine Nonne

Isabella Leonarda (1620-1704), eine musikalisch hochbegabte Nonne und erfolgreiche Komponistin, ist heute nahezu vergessen. Ein deutsch-österreichisches Ensemble für Alte Musik will das ändern.

 "Spirit of Musicke": Maria Loos, Veronika Braß und Gabriele Ruhland (v.l.) / © Charles Kugler (KNA)
"Spirit of Musicke": Maria Loos, Veronika Braß und Gabriele Ruhland (v.l.) / © Charles Kugler ( KNA )

In den italienischen Frauenklöstern des 17. Jahrhunderts passierte etwas Aufregendes: Es kam zu einer Talentexplosion musizierender und komponierender Frauen wie zum Beispiel Isabella Leonarda (1620-1704), einer Nonne im oberitalienischen Novara. Junge Frauen mit einer besonderen musikalischen Begabung, besonders wenn sie aus wohlsituierten Familien mit einem hohen Bildungshintergrund stammten, hatten sogar die Wahl zwischen verschiedenen Elite-Klöstern, die als Zentren der Musik fungierten. Heute ist die Barockmusik komponierender Frauen fast unbekannt.

Aufgeführt werden ihre Kompositionen wenn überhaupt von spezialisierten Alte Musik Ensembles wie "Spirit of Musicke". Auf dem Programm der großen Spielstätten ist die Musik von Frauen aus den vergangenen Jahrhunderten kaum zu finden. Als im Januar 2017 die Elbphilharmonie unter großer öffentlicher Beachtung eröffnet wurde, dirigierte Thomas Hengelbrock ein Programm mit Komponisten vom 16. bis zum 21. Jahrhundert. Es wurde nicht ein Werk einer Frau in das Konzert aufgenommen. Keine Ausnahme: Das Online-Portal bachtrack.com für klassische Musik gibt für das Jahr 2017 an, dass unter den 100 meist aufgeführten Komponisten keine einzige Frau war.

Wo sind die Frauen in der Musik?

Die Serie "Mozart in the Jungle", eine anspruchsvolle Eigenproduktion des Streaming-Dienstes Amazon Prime, thematisiert in der aktuellen vierten Staffel, die seit Mitte Februar online ist, das Thema Geschlechterungerechtigkeit in der Musik. Die angehende Dirigentin Hailey Rutledge, gespielt von Lola Kirke, leitet ein Ensemble, das ausschließlich die Musik weiblicher Komponistinnen spielt.

Die Musikerin selbst sieht einer ungewissen Zukunft entgegen. Bei einem Dirigentenwettbewerb wird ihr deutlich zu verstehen gegeben, dass von den weltweit 150 großen Orchestern aktuell nur vier von Frauen geleitet werden. In Deutschland stehen nach Angaben des Archivs "Frau und Musik" drei Dirigentinnen an der Spitze von rund 130 Berufsorchestern.

Isabella Leonarda ist eine der Komponistinnen, deren Musik in der aktuellen Staffel von "Mozart in the Jungle" gespielt wird. Sie stammte aus einer wirtschaftlich und sozial hochgestellten Familie und trat 1636 im Alter von 16 Jahren in das Ursulinenkloster in Novara ein, wo sie bis zu ihrem Tod fast 70 Jahre lebte. Ihr Werk umfasst rund 200 Kompositionen vor allem geistlicher Musik wie Messen, Motetten, Psalmenvertonungen oder Magnificats. Ihre Sonaten im Opus 16 gehören zu den ersten Instrumentalwerken, die von einer Frau geschrieben wurden. Schon zu Lebzeiten wurde die Musik gedruckt und war damit öffentlich zugänglich.

Aus der Vergessenheit retten

Um das Talent komponierender Frauen aus dem Vergessen zu retten, will das Salzburger Barockensemble "Spirit of Musicke" nun über ein Crowdfundingprojekt Geld sammeln, um eine CD mit Musik von Isabella Leonarda, Elisabeth Jacquet de la Guerre (1665 - 1729), Mrs. Philarmonica und Anna Bon (1738 - nach 1767) einzuspielen. Mrs Philharmonica ist das Pseudonym einer englischen Komponistin des Spätbarocks, von der man sonst nichts weiß. "Spirit of Musicke" geht sicher davon aus, dass sie die Ersten sind, die ihre Musik auf CD einspielen. In einem zweiten Schritt plant das Ensemble ein Video als Werbung zu erstellen, damit sie diese Musik vergessener Komponistinnen auch in Konzertsälen zur Aufführung bringen können.

Isabella Leonarda ist seit einer Dekade die Lieblingskomponistin von "Spirit of Musicke", das sich der historischen Aufführungspraxis verschrieben hat und bevorzugt die Musik weiblicher Komponistinnen spielt. Die vier deutsch-österreichischen Ensemblemitglieder spielen mit ebenso viel Wissen wie Enthusiasmus und geben der Musik damit den Schwung, der sie heute noch mitreißend macht.

Christiane Laudage


Quelle:
KNA