Elbphilharmonie vor der Eröffnung

Hamburgs neuer Kulturtempel

In ihrer Planungs- und Bauphase galt die Elbphilharmonie lange als ein Symbol für finanzielle Desaster bei öffentlichen Bauvorhaben. Spätestens mit dem Eröffnungskonzert an diesem Mittwoch dürfte eine neue Wahrnehmung beginnen.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
Elbphilharmonie / © Christian Charisius (dpa)
Elbphilharmonie / © Christian Charisius ( dpa )

Wer im Internet und in Reiseführern nach dem baulichen Wahrzeichen Hamburgs sucht, findet unter diesem Stichwort derzeit noch die lutherische Hauptkirche Sankt Michaelis, im Volksmund "Michel" genannt. Aber die bedeutendste Barockkirche Norddeutschlands, deren grauer Turm über dem ziegelroten Kirchenschiff in einer Gesamthöhe von 132 Metern aufragt, könnte bald als bekanntestes Bauwerk der Freien und Hansestadt ausgedient haben.

Wenn es nach den Kommentaren in den großen deutschen Feuilletons geht, wird diese Rolle von der neu erbauten Elbphilharmonie übernommen. Am früheren Kaispeicher A, wo Ende des 19. Jahrhunderts das berühmte Lagerhaus majestätisch wie eine Kathedrale über dem Hafen thronte, nimmt nun der kühne Kulturtempel die Blicke gefangen.

Neues Sinnbild Hamburgs?

Die "Elphi" misst zwar an ihrer höchsten Stelle lediglich 110 Meter, doch überstrahlt sie durch ihre gewagte, wellenförmige Glas- und Metall-Architektur den in Sichtweite stehenden Kirchturm schon heute. Und so könnte sie zum Sinnbild Hamburgs werden - fast so, wie es die weltberühmte Oper in Sydney geschafft hat, als DAS Architektursymbol für einen ganzen Kontinent zu gelten.

Und dann wird wohl auch die öffentliche Erregung um die hohen Baukosten und die 13-jährige Planungs- und Bauzeit ebenso vergessen sein wie die hitzige Debatte, die in den 1960er Jahren das bekannteste Bauwerk Australiens begleitete: Was sind schon 800 Millionen Euro angesichts der Leistung, ein architektonisches Wahrzeichen zu schaffen, das Chancen hat, auch in kommenden Jahrhunderten noch bewundert zu werden?

Erzbischof Heße: Markenzeichen der Stadt

Hamburgs Erzbischof Stefan Heße sagte, dass das Gebäude schon jetzt ein Wahrzeichen sei und "ein weithin sichtbares Markenzeichen unserer Stadt". Der große Besucherstrom zeige, dass die Menschen solche Orte genießen und sie brauchen. "Orte, die durch ihre Fenster einen Weitblick ermöglichen und durch Kunst und Musik unseren Alltag transzendieren", verdeutlichte Heße.

Wenn am Mittwochabend in Anwesenheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und von Hunderten Prominenten aus Politik, Wirtschaft, Medien und Kultur das Eröffnungskonzert beginnt, kann vor allem einer sich zufrieden zurücklehnen: Olaf Scholz (SPD), der es als Erster Bürgermeister Hamburgs geschafft hat, das waghalsige Projekt trotz einer enormen Kostensteigerung zu einem passablen Ende zu führen.

Seine Zähigkeit und sein Verhandlungsgeschick haben entscheidend dazu beigetragen, dass das Bauprojekt nach dem Baustopp des Jahres 2011 allen politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Risiken zum Trotz fertiggestellt wurde. Auch wenn der Preis, den die Hamburger Bürgerschaft am Ende zu zahlen bereit war, exorbitant erscheint: Dank brummender Konjunktur und starker Steuereinnahmen dürfte er bald abgehakt sein. Die wohlhabende Metropole wird durch diesen Bau nicht in den Bankrott getrieben.

Sakrales Gefühl

Als er zum ersten Mal den gerade fertiggestellten großen Konzertsaal der Elbphilharmonie betrat, überkam den für seine nüchterne Wortwahl bekannten Hanseaten Scholz eine nach eigenen Worten ungewohnte Empfindung. Es sei "beinahe so etwas wie ein sakrales Gefühl" gewesen, erklärte er später sichtbar bewegt. Ob die Gäste beim Eröffnungskonzert vergleichbare Empfindungen haben, hängt nicht nur von der Architektur des vielgelobten Bauwerks ab. Was am Ende zählt, sind die Musik und das Klangerlebnis.

Bis zum letzten Tag haben es die Verantwortlichen vom NDR geschafft, das musikalische Programm weitgehend geheim zu halten. Nur der Titel ist so bekannt wie anspruchsvoll: "Zum Raum wird hier die Zeit". Das Zitat aus Wagners "Parsifal" klingt als Motto für das neue Konzertgebäude alles andere als hanseatisch-nüchtern. Neben Wagner werden unter anderem Werke von Cavalieri, Beethoven und Messiaen zu hören sein - ein Querschnitt durch die Musikgeschichte von der Renaissance bis in die Gegenwart. Und als besonderes Highlight wird ein Stück von Wolfgang Rihm uraufgeführt. Es trägt den Titel "Reminiszenz".


Erzbischof Stefan Heße / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Erzbischof Stefan Heße / © Elisabeth Schomaker ( KNA )
Quelle:
KNA