Durch "upcycling" eine Job-Perspektive

Möbel aus Kirchengesangbüchern

100 ausgemusterte "Gotteslob"- Kirchengesangbücher reichen aus. Daraus zaubern Jugendliche eine Tischplatte - und für sich selbst eine Job-Perspektive.

Autor/in:
Stefan Klinkhammer
Gotteslobe als Möbelstück  / © Barbara Mayrhofer (KNA)
Gotteslobe als Möbelstück / © Barbara Mayrhofer ( KNA )

Ein letztes Mal hält Burkhard Koob (59) das kirchliche Gesangbuch in der Hand, blättert mit den Fingern durch die dünnen Seiten. Dann ist Schluss. Mit der Schneidemaschine wird das "Gotteslob" in knapp acht Millimeter dicke Streifen zerteilt. Im Anschnitt bleiben die ausgemusterten Bücher noch erkennbar: Rücken, Vorder- und Hintereinband und die Seiten dazwischen. "Am Anfang habe ich mich fast nicht getraut, auf den Knopf zu drücken", erzählt der Schreiner vom Arbeitslosenprojekt "Fundus" in Overath. Doch mit jedem zerschnittenen Gotteslob kam die Routine - zumal es nicht ein Ende, sondern ein Neuanfang bedeutet. Nach vielen Arbeitsschritten entstehen in der Werkstatt in der Nähe von Köln aus den veralteten Gesangbüchern neue Möbelstücke oder gar Kunst.

Vor rund zwei Jahren begann die katholische Kirche, das über mehrere Jahrzehnte verwendete Gesangbuch "Gotteslob" gegen eine völlig neu entwickelte Version auszutauschen. Etwa vier Millionen modernisierte Exemplare wurden von den Bistümern bestellt - womit die alten Bücher ausgedient hatten.

"Altstoff Buch als neuer Wertstoff"

Aus Alt mach Neu - sogenanntes "upcycling" - gewinnt immer mehr an Bedeutung. So startete der österreichische Künstler Sepp Pfeiffer das Projekt "Altstoff Buch als neuer Wertstoff". Bei ihm suchte Burkhard Koob Anregung, um mit den alten "Gotteslob"-Exemplaren eine "Fundus"-Beschäftigungsmaßnahme für arbeitslose junge Menschen zu starten. Damit sie eine neue berufliche Perspektive bekommen, wurden rund 3.000 alte "Gotteslob"-Bücher in Pfarreien gesammelt.

Bei ihrer Möbelproduktion fertigen die Jugendlichen zunächst als Grundlage Platten. Dazu verleimen sie die dünnen Buch-Streifen. "Die entstehenden Lücken zwischen den Büchern müssen mit einem Bindemittel oder Schleifstaub verfüllt werden", erklärt Burkhard Koob den nächsten Arbeitsschritt. Dabei werden für eine Tischplatte etwa 100 "Gotteslob"-Bücher benötigt. Nach dem Verfüllen müssen die Platten noch geschliffen und lackiert werden, bevor sie verbaut werden: zu einem Tisch, Stuhl, Regal oder einer Kommode. Erst auf den zweiten Blick sind dabei die alten Bücher zu erkennen.

Nach den Wünschen der Kunden angefertigt

Im Verkaufsraum neben der Schreinerei in Overath stehen nur wenige fertige Stücke. Denn die Objekte sollen nach den Wünschen der Kunden angefertigt werden. Die Preise der Einzelstücke liegen zwischen 300 Euro für einen Hocker oder 1.000 Euro für einen Tisch. Noch läuft der Verkauf nicht ganz rund, auch deshalb werden seit gut einem Jahr neben den Möbelstücken auch Bilder angefertigt - alles individuell und komplett selbst gemacht, vom eigentlichen Buch-Bild bis zum Rahmen. Die Preise liegen deutlich unter denen der aufwendigen Möbelstücke; zwischen 35 und 75 Euro kostet ein "Gotteslob"-Bild.

Der Verkauf steht für das "Fundus"-Team aber gar nicht im Vordergrund. Vielmehr sind es die jungen Menschen. Es sei wichtig, dass sie ein bisschen Spaß haben, erzählt Burkhard Koob. "Und den können sie nur haben, wenn man ganz ausgefallene Sachen macht." Ausgefallen sind die Bilder und Möbel auf jeden Fall, keine Massenware, Einzelstücke und mehr Kunst. Auch für die 19 Teilnehmer des Projekts ein tolles Erlebnis, wenn "ihr" Möbelstück dann fertig ist und vielleicht sogar verkauft wird. Vermittelt werden die jungen Arbeitslosen vom Jobcenter Rhein-Berg. "Fundus" selbst ist eine Einrichtung im Trägerverbund der Caritas Rhein-Berg und der Stadt Overath.

Vor dem Schredder gerettet

Hier und da gab und gibt es auch Bedenken, die ausgedienten "Gotteslob"-Bücher mit den Gebeten und religiösen Liedern zu zerschneiden. Aber sonst drohen sie einfach in den Schredder zu kommen oder einfach verbrannt zu werden. In Overath werden sie Teil von etwas Neuen - und bieten gleichzeitig jungen Menschen eine echte Perspektive.

 


Quelle:
KNA